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Intelligente Ressourcennutzung: Teilen in Unternehmen, Kommunen und Regionen

Ich habe im Laufe meines Lebens nacheinander vierundfünfzig Autos besessen. Ich will nie wieder eins besitzen. Ich habe das Autofahren deswegen nicht aufgegeben. Es begann damit, daß ich meine Wagen auf Flugplätzen stehen ließ und nicht oder nur selten zu ihnen zurückkehrte. Mein neues Ordnungsmuster macht es erforderlich, daß ich auf dem Flughafen einen neuen Wagen leihe, wenn ich ihn brauche. Ich komme immer mehr davon ab, Dinge zu besitzen, nicht wegen einer politischen Richtung, wie etwa der Ideologie von Henry George, sondern einfach aus praktischen Gründen. Besitz wird immer mehr zu einer Belastung und Verschwendung und wird daher obsolet.

R. Buckminster Fuller in "Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde"

Jede Investition ist verschwendet, wenn sie nicht ausgelastet ist. Dies gilt für eine Maschine ebenso wie für ein Gebäude. Im Zeitalter verknappender Rohstoffe und steigender Energiekosten werden Konzepte für die intelligente Ressourcennutzung immer wichtiger. Teilen, also die gemeinsame Nutzung von Maschinen, Gebäuden, Infrastruktur, ja möglicherweise sogar Personal und Wissen stellt einen Weg intelligenter Ressourcennutzung dar.

Ressourcenverschwendung am Beispiel der deutschen PKW-Flotte

Wie verschwenderisch die heutige Gesellschaft mit Ressourcen umgeht zeigt ein Blick auf die Auto-Nutzung. Allein in Deutschland existieren 44 Millionen PKW. Auf jeden zweiten Einwohner, vom Säugling bis zum Greis, kommt damit statistisch gesehen ein Auto. Geht man davon aus, daß in jedem Wagen im Schnitt 4 Sitzplätze vorhanden sind, so stehen jedem Deutschen ständig zwei Autositze zur Verfügung. Jeder PKW könnte täglich 24 Stunden genutzt werden, doch die meisten Autos sind nur einen Bruchteil der täglichen potentiellen Nutzungszeit in Gebrauch. Den überwiegenden Teil des Tages stehen Millionen Tonnen Stahl ungenutzt herum und nehmen dabei wertvollen Platz in den Straßen unserer Städte und Dörfer in Anspruch, während sie technisch veralten und Ressourcen für Reparaturen und Neuproduktion binden. Effizient ist das nicht und innerhalb eines Unternehmens würde solch eine Situation kaum akzeptiert werden.

Der Verkehrsbereich zeigt, welches Einsparpotential in Wirtschaft und Gesellschaft ungenutzt ist. Gelänge es, die Auslastung der PKW-Flotte so zu organisieren, daß 20% weniger Autos gebraucht würden, würde dies fast 9 Millionen weniger Autos auf den Straßen bedeuten. Diese beanspruchen derzeit eine innerörtliche Park-Fläche von über 100 Millionen Quadratmeter und binden die Arbeits- und Lebenszeit von zehntausenden Menschen für die Produktion und Wartung der Wagen, die nicht anderswo in der Gesellschaft genutzt werden kann.

Das Beispiel der Autos läßt sich ausweiten auf unausgelastete Bürogebäude, freie Maschinenkapazitäten in den Unternehmen sowie mehrfache Verwaltungs- und Infrastrukturen in Wirtschaft und Kommunen.

Spezialisierung und Arbeitsteilung als Teilhabe-Prozess

Die Tendenz zu Spezialisierung und Arbeitsteilung stellt bereits eine Art Teilhabe-Prozess dar: Da jeder Spezialist sich auf seinen Arbeitsbereich konzentriert ist er zugleich auf den Zukauf der Leistungen anderer angewiesen (siehe Wirtschaft zwischen Kooperation und Konkurrenz). Dabei teilen sich verschiedene Spezialisten beispielsweise ihre Zulieferer: Jeder Steuerberater stellt seine Leistung mehr als einem Mandanten bereit, was im Grunde einer Ressourcenteilung der Mandanten gleich kommt – sie finanzieren gemeinsam das Büro des Steuerberaters, sein Personal, KnowHow und Arbeitszeit. Allerdings geschieht dieser Prozess selten bewusst und selten angestoßen durch die Mandanten. Stattdessen gründet ein Steuerberater seine Kanzlei und wirbt um Kunden, denen er seine Leistung zum Kauf anbietet.

Modelle des Teilens

Kindergarten

Ein Beispiel für die gemeinsame Nutzung von Ressourcen ist beispielsweise ein Kindergarten. Die für die Betreuung notwendigen Ressourcen werden von den Eltern (oder indirekt über den Staat) zur Verfügung gestellt. Statt daß jedes Elternpaar seine Kinder allein betreut teilen sich auf diesem Wege mehrere Familien die Betreuung, indem sie für eine Gruppe von Kindern Räumlichkeiten und Personal finanzieren und sich damit die Ressourcen teilen. Ihr eigene Zeit können sie jetzt anders einsetzen.

CarSharing

Ein moderneres Modell des Teilens stellt zum Beispiel das CarSharing dar. CarSharing setzt an dem bereits geschilderten Problem an, daß viele PKW unausgelastet sind. Der CarSharing-Anbieter kauft oder least PKW, die er seinen Mitgliedern gegen Grundgebühr plus Nutzungsgebühr verfügbar macht. Diese müssen sich kein eigenes Auto kaufen, sondern teilen sich auf diesem Wege ihr Automobil mit den anderen CarSharing-Nutzern. Die Autos sind intensiver ausgelastet, was die Anschaffungs- und Erhaltungskosten auf viele Schultern verteilt.

Öffentlicher Verkehr & Verkehrsinfrastruktur

Auch das öffentliche Verkehrsnetz kann unter diesem Aspekt betrachtet werden: Über staatliche Koordination wurde ein Straßennetz geschaffen, welches von allen Fahrzeugnutzern genutzt werden kann. Erhalt und Ausbau werden über Steuern finanziert, die (direkt: Maut, indirekt: andere Steuern) von den Infrastrukturnutzern erhoben werden. Der öffentliche Verkehr ist ein weiteres Beispiel. Jedes Verkehrsmittel, welches von mehr als (s)einem Eigentümer genutzt wird, stellt das Teilen von Ressourcen dar. Bus-Nutzer, Straßenbahn- oder Eisenbahnkunden teilen sich die vorhandene Infrastruktur bestehend aus Netz, Fahrzeugen und Personal.

Das Teilen von Ressourcen wird auch über die genannten Beispiele hinaus zunehmen. In vielen Unternehmen existieren unausgelastete Maschinen und Fahrzeugparks sowie andere Ressourcen wie Räumlichkeiten oder Rechenkapazität, die einen Ansatzpunkt darstellen.

Teilen im Spannungsfeld von Privateigentum und Trittbrettfahrern

Intensives Teilen funktioniert mit dem herkömmlichen Eigentumsbegriff natürlich nur begrenzt. Privateigentum, wie es heute vorwiegend anzutreffen ist, wird meist als ausschließender Besitz behandelt. Das heißt, daß der Eigentümer andere von der Nutzung seines Eigentums ausschließt. Dieses Nicht-Zulassen der Nutzung durch andere führt zu dem hohen Grad von Ineffizienz, da er jeden zwingt, Eigentümer einer gleichen Sache zu werden, um sie nutzen zu können. Wäre es dagegen üblich, die Nutzung von Investitionsgütern auch anderen zu ermöglichen, würden Effizienz- und Kostenvorteile entstehen: Wenn sich statt eines Eigentümers zwei Eigentümer zusammenfinden, so halbieren sich die Anschaffungskosten. Bei jedem weiteren Mit-Eigentümern sinken die Anschaffungskosten für den Einzelnen weiter. Andererseits steigt der Aufwand für die Koordination der Nutzung: Da jeder Mit-Eigentümer sein Eigentum zeitweise nutzen will ist es notwendig, zu koordinieren, wer wann wie lange das Eigentum nutzt. In den meisten Fällen ist die Nutzung materiellen Eigentums nur durch einen Nutzer zur selben Zeit möglich (Ausnahmen stellen Kollaborationsansätze wie Kindergärten, Schwimmbäder oder Straßen dar, sowie grundsätzlich immaterielle Güter wie Software, die mehrere Menschen gleichzeitig nutzen können).

Beim Ansatz des Teilens erscheint es wichtig zu betonen, daß eine möglichst hohe Effizienz Gefahren birgt. Übertrieben dargestellt: Gibt es in einem Firmennetzwerk oder einer Region tatsächlich nur eine Maschine, die von allen genutzt wird, so bekommen die Nutzer ein großes Problem, sobald diese eine Maschine ausfällt. Neben einer möglichst hohen Effizienz sollte deshalb immer auch der Sicherheitsvorteil beachtet werden, der sich durch die redundante Auslegung von Strukturen ergibt – der aber natürlich zu höherem Aufwand führt. (siehe auch: Moderne Verrechnungssysteme als Sicherheitseinrichtung für die globale Kredit- und Finanzkrise) Das optimale Verhältnis zwischen Risiko, Aufwand und Nutzen muss herausgefunden werden.

Außerdem ist eine Antwort auf die Frage wichtig: Wie stellt man sicher, daß die gemeinsam genutzten Ressourcen von allen pfleglich behandelt werden und Schäden nicht durch Trittbrettfahrer auf die Gemeinschaft abgewälzt werden? Hier können Anreizsysteme eine Rolle spielen, die in die Verwaltungsstrukturen integiert werden können.

Kollaborations-, Koordinations- und Kooperationssoftware

Jeder Ansatz der gemeinsamen Nutzung von Ressourcen erfordert Verwaltungsstrukturen. Da nur selten die gleichzeitige Nutzung der geteilten Ressourcen durch die Nutzer möglich ist, ist es notwendig Verwaltungsstrukturen zu schaffen, die die Zuteilung koordinieren. Diese sollten möglichst schlank und aufwandsarm sein.

Das Internet bietet sich dafür als Informations- und Koordinationsmedium an. Letztlich geht es bei der Koordination darum, die Information über Verfügbarkeitszeiten der Ressourcen transparent zu machen. Beim Teilen wirtschaftlich relevanter Ressourcen findet man sich auf der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Informatik wieder.

Beispiel Büroräume

In den meisten Kommunen gibt es Bürogebäude, die nicht ausgelastet sind. Gleichzeitig gibt es bei kleinen Unternehmen oder auch bei Vereinen oft Bedarf an Räumlichkeiten, die nur temporär gebraucht werden und wo sich eine monatsweise Einmietung nicht lohnt. Ein Kollaborationssystem würde nicht nur die Verwaltung bereits bestehender Mietverhältnisse ermöglichen, sondern darüber hinaus die Buchung freier Räume sowie die Terminierung von Schlüssel- und Raumübergaben o.ä.

Beispiel Maschinen

Die meisten produzierenden Unternehmen nutzen Maschinen. Die enormen Anschaffungskosten der Maschinen machen es sinnvoll, sie möglichst umfassend auszunutzen. Jede Stunde, die eine Maschine ungenutzt ist, könnte sie grundsätzlich anderen Nutzern verfügbar gemacht werden. Eine Kollaborationssoftware für diesen Fall müßte ihren Anwendern ermöglichen, die Verfügbarkeitszeiten sowie den Status der Maschine abzufragen und eigene Nutzungszeiten zu buchen. Darüber hinaus müßte sie einen Algorithmus bereitstellen, der zur Abrechnung der genutzten Zeiten dient.

Beispiel Kindergartensoftware

Für diese Situation existiert bereits ein Prototyp, der die Kollaboration mehrerer Kindertagesstätten in einer Kommune erlaubt. Der Kern des Systems beruht auf der Situation, daß zu wenige Betreuungsplätze für zu viele Kinder existieren. In einer Kommune führt dies dazu, daß die Eltern ihre Kinder bei mehr als einem Kindergarten anmelden, sich dort jedoch nicht wieder abmelden, wenn sie einen Betreuungsplatz für ihr Kind gefunden haben. Es entsteht unnötiger Verwaltungsaufwand in den Kindergärten, wenn die LeiterInnen den angemeldeten Eltern hinterhertelefonieren, um einen Betreuungsplatz anzubieten, obwohl das Kind bereits einen Platz in einer anderen Kindertagesstätte erhalten hat. Dieser Aufwand ließe sich minimieren, wenn – wie im Prototyp realisiert – die Eltern die Anmeldung ihres Kindes über eine gemeinsame Internetplattform aller Kindertagesstätten vornehmen. Sobald eine Einrichtung ein Kind übernimmt kann dessen Anmeldung bei den anderen Einrichtungen automatisch gelöscht werden, so daß kein zusätzlicher Aufwand für Eltern oder EinrichtungsleiterInnen entsteht.

Vorteile für Unternehmen

Für Unternehmen bietet das Teilen von Ressourcen handfeste ökonomische Vorteile:

  • für das einzelne Unternehmen fallen geringere Investitionskosten an, da sich mehrere Akteure die benötigten Maschinen/Infrastrukturen teilen
  • geringere Kosten ziehen Wettbewerbsvorteile nach sich
  • über das reine Teilen hinaus entstehen Allianzen und Bündnisse in Netzwerkform, welche auch für andere Aktivitäten genutzt werden können
  • für Unternehmen mit bereits vorhandenen Ressourcen können zusätzliche Einnahmen durch Vermietung und Verpachtung entstehen

Kollaborationsmodelle für/in Regionen

Innerhalb von Regionen lassen sich Kooperations- und Kollaborationsmodelle aufgrund der geografischen Nähe einfacher anstoßen und umsetzen. Die gemeinsame Nutzung vorhandener (knapper) Ressourcen hat aus regionaler Sicht den Vorteil der Sparsamkeit sowie der Verhinderung von Kaufkraftabfluss aus der Region, wenn Wirtschaftsakteure bestimmte Ressourcen mehrfach anschaffen. Teilen kann in einer Region quasi auch als "dezentrale Lagerhaltung" betrachtet werden. Möglicherweise ergibt sich daraus das Tätigkeitsfeld eines (regionalen) Ressourcendisponenten, bei dem die Informationen über verfügbare Ressourcen zusammenlaufen und von dem die Nutzung koordiniert wird. Eine professionelle organisatorische Umsetzung kann durch das Genossenschaftsmodell erfolgen.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 06.04.2009