Seit 2015 habe ich erfolgreich das Projekt "Zukunftsstadt" in Dresden geleitet. Es basierte auf einem Städtewettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Ziel war es, gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern eine Vision und eine Strategie zu entwickeln, wie man eine Stadt zur nachhaltigen Zukunftsstadt macht. In Dresden haben wir diese Aufgabe umgesetzt, indem wir die Teilnehmenden selbst Visionen der Stadt der Zukunft zeichnen ließen und indem wir dazu einluden, eigene Projekte zu entwickeln, mit denen Dresden nachhaltiger wird. Diese Projekte sollten von den Bürgern selbst umgesetzt werden. Da Dresden es als größte Stadt im Teilnehmerfeld in die finale Phase geschafft hat, werden nun 8 Bürgerprojekte mit wissenschaftlicher Begleitung durch IÖR und TU Dresden umgesetzt.
Meine Arbeit als Projektleiter endete im Herbst 2018. Die Arbeitsweise der Dresdner Stadtverwaltung und meine Arbeitsweise sind nicht wirklich kompatibel. Mein Wissen und die gesammelten Erfahrungen möchte ich aber gern weitergeben. Um dies sichtbar zu machen ging nun eine neue Webseite online. Ich freue mich auf Kooperationen mit Kommunen, engagierten Unternehmen und interessierten Stadtgestaltern: www.zukunftsstadt.de
Am 11. September fand im Socitätstheater in Dresden der erste lokale TED-Talk TEDxDresden statt. Mein Beitrag über das Zukunftsstadt-Projekt ist jetzt auf Video verfügbar:
Dresden wird auch in der zweiten Zukunftsstadt-Phase dabei sein: als größte der 20 Teilnehmerstädte. Ich darf das Projekt in den nächsten 1,5 Jahren leiten und bin dabei Teil der Strategie-Abteilung der Landeshauptstadt Dresden.
Als ich das erste Mal über die Idee stolperte, es sollte Geld kosten, wenn man Geld hat, fand ich die Idee auch gewöhnungsbedürftig. Das war 2001. Inzwischen ist es in der Euro-Zone und in Japan Standard: Banken kostet es Geld, wenn sie Geld halten. Wenn eine Geschäftsbank (Sparkasse, Deutsche Bank, Volksbank ...) Geld über Nacht bei der EZB "parken" will, muss sie Kosten in Höhe von 0,4% p.a. der Einlagesumme tragen. Die EZB hat verschiedene Zinssätze, dieser Zins auf Übernacht-Einlagen heißt "Einlagefazilität".
Hört man in den deutschsprachigen Blätterwald wird darüber eigentlich nur gemeckert. Negativzinsen machen die Altersvorsorge kaputt, enteignen die Sparer und überhaupt. Interessant ist, wer da meistens meckert oder als Meckerer zitiert wird: Banker und Wirtschaftsprofessoren. Interessanterweise sind es genau diese beiden Berufsgruppen, die in den vergangenen 10 Jahren am wenigsten zur Lösung der Finanzsystemkrise beigetragen haben. Die Banker haben sich vom Staat aushelfen lassen, indem Milliarden an Steuergeldern und Bürgschaften an sie geflossen sind. Und die meisten Wirtschaftsprofessoren wurden allein von der Tatsache, dass der Zinssatz unter Null sinken kann, quasi überrascht. Es war un-denk-bar in den Kreisen der neoklassisch dominierten Finanz- und Volkswirtschaft. Zinsen unter Null sind für viele Wirtschaftswissenschaftler ein geistiger Affront. Die meisten Wirtschaftswissenschaftler nehmen die Tatsache zwar zur Kenntnis, aber eher so wie die Dursleys zur Kenntnis nehmen, dass in Harry Potters Welt Zaubern wirklich passiert: Sie wollen es nicht akzeptieren, weil es einfach nicht in ihr Weltbild passt. (mehr …)
Wie wichtig Zukunftsvisionen sind war mir spätestens seit dem Kontakt mit der Idee der "Transition Towns" bewusst geworden. Katastrophenszenarien, die unsere Zivilisation bedrohen (Peak Oil, Black Out, Finanzkrise, Cyberkrieg, Artensterben, Klimawandel), sind die eine Seite der Medaille. Sie zeigen auf, dass unsere Art zu leben und zu wirtschaften nicht nachhaltig ist. Doch viele Menschen entziehen sich diesen Szenarien: Einerseits, weil sie sich als Individuum zu machtlos gegenüber diesen übergroßen Entwicklungen fühlen, andererseits weil die Beschäftigung mit diesen Themen den Geist verdunkeln kann. Um Depressionen zu vermeiden verdrängt mensch die modernen Bedrohungen gern.
Transition Towns: lokal, resilient, visionär
Die Philosophie der "Transition Towns" stellt diese Krisenszenarien zwar ebenfalls als Schubkraft in den Raum, bietet aber drei zusätzliche Perspektiven:
Aktionsradius Kommune: Es wird empfohlen, sich auf das Naheliegende zu konzentrieren: Die eigene Kommune. Diese ist nah genug, damit auch der Einzelne sie beeinflussen kann und so das Gefühl von Machtlosigkeit verringert. Die eigene Kommune zu verwandeln erscheint machbarer als die ganze Welt zu verändern. Zugleich wird die Nutzen-Fragen für das Individuum klarer: Offensichtlich wird Sinn und Zweck des eigenen Handelns deutlicher, wenn es sich auf "das eigene Nest" bezieht, statt auf eine abstrakte "Welt".
Resilienz: Statt die Probleme der Welt "zu lösen", empfiehlt der "Transition Town"-Ansatz, die Probleme zu akzeptieren und stattdessen zu fragen: Wie mache ich die wichtigen Systeme in meinem direkten Einflussbereich widerstandsfähiger gegenüber den befürchteten Krisenszenarien? Die Idee der Widerstandsfähigkeit, modern als "Resilienz" bezeichnet, entstammt der Psychologie, wird aber zunehmend auf andere Systeme angewendet. Eine "Transition Town" wird von ihren Bewohnern also dahingehend entwickelt, widerstandsfähiger zu werden. Die Illusion, gegen alle Gefahren gewappnet zu sein, wird zugunsten der Fähigkeit aufgegeben, mit eintretenden Risiken umzugehen.
Zukunftsvisionen: Wenn Krisenszenarien Schubkraft entfalten, die den Menschen und seine Kommune aus dem Risikobereich hinausdrängen (push), so entfalten attraktive Zukunftsvisionen Sogkraft, die Mensch und Kommune in eine gewünschte Richtung ziehen (pull). Zukunftsvisionen untereinander zu verhandeln bedeutet, sich über Ziele und Richtungen zu verständigen, in die man das kommunale Schiff lenken will.
Diese Überlegungen begegneten mir bereits vor 2010, als die erste Transition-Konferenz in Hannover stattfand. Damals traf ich in Hannover zwei Dresdner, die ebenfalls von Transition-Ideen angetan waren. Diese Begegnung wurde zur Keimzelle von Transition-inspirierten Aktivitäten in Dresden. (siehe auch: transition ist kein Substantiv, www.dresden-im-wandel.de)
Der Begriff der „Resilienz“ kommt aus der Psychologie und beschreibt die Widerstandsfähigkeit von Menschen gegenüber Lebenskrisen. Dieses Konzept wird zunehmend auf andere Bereiche angewendet, beispielsweise in Form der „Klimaresilienz“ auf Städte und Gemeinden.
Immer mehr Unternehmen, Organisationen und Städte und Gemeinden arbeiten mit dem Ansatz als eine Art „defensive Entwicklungsstrategie“. Sie reagieren damit darauf, dass immer mehr zivilisatorische Systeme Anfälligkeiten zeigen, während zuletzt oft die Abhängigkeit von solchen Systemen anstieg.
Zunehmende Risiken
Beispielhaft ist das Stromversorgungssystem zu nennen. Ohne Elektrizität funktionieren nicht nur (Mobil-)Telefone und Fernseher nicht, sondern meist auch Fahrstühle, Heizungen oder die Wasserversorgung. Auch bargeldlose Zahlungen, Kühlung und PCs kommen bei einem Stromausfall zum Erliegen. Zugleich wird durch die zunehmende Einspeisung aus schwankenden erneuerbaren Energiequellen die Steuerung des Stromnetzes schwieriger. Waren im fossilen Energieversorgungssystem ganz selten stabilisierende Eingriffe der Netzbetreiber notwendig, so wird heute mehrmals am Tag händisch eingegriffen, um Über- und Unterversorgung zu vermeiden. Da die Stromversorgung Grundlage von IT- und Kommunikations-Infrastruktur ist, geht ein BlackOut einher mit Einschränkungen in der Kommunikationsfähigkeit einer Gesellschaft, so dass auch andere wichtige Sub-Systeme der Zivilisation betroffen wären.
Seit 1. Juli bin ich im Auftrag der Landeshauptstadt Dresden unterwegs, um das Projekt "Zukunftsstadt" zu organisieren. Ziel: Eine gemeinsam erarbeitete, ganzheitliche Vision einer nachhaltigen Stadt Dresden für 2030 und danach zu erarbeiten. Angebunden an Oberbürgermeisterbüro und Amt für Wirtschaftsförderung werden Veranstaltungen organisiert, in denen die Dresdner Visionen erdenken und visualisieren. Schwerpunktmonat ist der Oktober. Neben Dresden arbeiten 50 weitere Städte an Visionen, in Sachsen sind dies Leipzig, Mittweida und Weißwasser.
Die Stadt ist unser Wohnzimmer. Die Häuser sind die Zimmerwände, an denen wir uns stoßen. Die Straßen die Flure, die uns von Platz zu Platz führen. Dank Müllabfuhr und Kanalisation machen wir nur kleine Restehaufen und jemand anders räumt sie weg.
Der Supermarkt ist uns're Speisekammer. Dort tauschen wir bunte Zettel in Nahrung, Päckchen und allerlei Zeug, mit dem wir unsere Mägen und unsere Keller füllen. Die Parks und Gärten sind wie Balkons, auf die wir treten, um frische Luft zu holen, Kräuter zu ziehen und auf andere Gedanken zu kommen. Das Umland ist unser Garten.
Die Stadt ist unser Marktplatz auf dem wir unsere Talente feilbieten, Gebrauchtes erwerben, Bekannten begegnen, Gerüchte verbreiten und Versammlungen abhalten. Der Stadtrat ist der pater familias. Und Nachbars Kinder nerven auch manchmal.
Die Stadt ist unser Gemeinsames. Unsere Architekten und Bauleute verändern täglich ihr Antlitz, unsere Fahrer chauffieren, uns're Vermieter kassieren, die Erzieher erziehen und unsere Musiker spielen täglich zum Tanz auf. Fast wie Familie.
Die Stadt ist ein Dorf. Sie ist Sprungbrett zum Globus und Teil des globalen Dorfs. Sie ist Höhle und Spielplatz, Transformator und Kochtopf. Fußabdruck der Menschheit. Wenn alle am Stadtrand wohnen, wird die Stadt zum Ring.
Die Stadt ist unser Wohnzimmer.
Von 22. bis 24. Oktober findet im Leipziger Messegelände die Euregia statt: Die Messe für Kommunal- und Regionalentwicklung in Europa. Wir werden mit dem Netzwerk der Transition-Initiativen DACH vor Ort sein. Für den 22. Oktober von 14 bis 16:30 Uhr haben wir einen Kongressbeitrag vorgesehen unter dem Titel:
Transition Towns - Energie- und Klimaanpassungsstrategien über Bürgernetze
Sprechen werden:
Andreas Poldrack, Postfossile Zukunft, Dresden: "Vom Peak Oil zur Vision einer Stadt im Wandel"
Nikolaus Huhn, Geschäftsführer Energie Gewinnt! aus Jena: "Die Stärken der Region entdecken"
Norbert Rost, Büro für postfossile Regionalentwicklung, Dresden: "Studienvorstellung: Peak Oil in Sachsen"
sowie Akteure von "Leipzig im Wandel", der Transition-Initiative Leipzig: "Die Transition Town Bewegung, ihre Hintergründe und Erfahrungen in Leipzig"
Der Kongressbeitrag soll einen Überblick geben, mit welchen Themen sich Transition-Initiativen befassen, wie diese im kommunalen Prozess zu betrachten sind und welche Chancen darin liegen, breite Bürgerbeteiligung für Energie- und Klimaanpassungsstrategien möglich zu machen. Auch die Erfahrungen, die mit solchen Initiativen in den vergangenen Jahren gesammelt wurden, sollen zur Sprache kommen.
Wir stehen nicht nur direkt nach dem Kongressbeitrag zum Gespräch zur Verfügung, sondern auch an einem kleinen Ausstellerstand. Für intensivere Gespräche mit einzelnen der oben genannten Akteure empfiehlt sich eine Terminabstimmung.
Drei Monate zu Fuß durch alle Städte und Kreise Thüringens
Zu einem dreimonatigen ‚Hörenden Fußmarsch’ lädt der Thüringer Aktionskünstler Nikolaus Huhn vom 1. April bis 30. Juni 2012 ein. Ziel des Marsches ist es, die wirtschaftliche Stabilität und Unabhängigkeit der Regionen zu fördern.
Huhn zählt mehrere Faktoren auf, die unseren derzeit hohen Lebensstandard stützen:
Die billigen Rohstoffe wie Öl und Gas,
die hohe Staatsverschuldung,
die Finanzwirtschaft und die Wertschöpfung aus dem globalen Lohngefälle.
Was aber machen wir, falls diese Stützen unseres Wohlstands mal schwächeln oder einknicken? (mehr …)