Zum Textbeginn springen . Zur Navigation springen .

Regionalwährungen/Lokalwährungen: Optimale Währungsräume?

Im folgenden soll die Frage diskutiert werden, wie groß der geografische Raum gestaltet sein sollte, für den eine Regionalwährung aufgebaut wird. Dieser Punkt ist im Hinblick auf die aktuell entstehenden sowie bereits entstandenen Regionalwährungen wichtig. Das Vorzeigeprojekt "Chiemgauer" ist bereits anhand des Namens als Währung für die Region Chiemgau erkennbar, auch wenn der Ausgangsort für den "Chiemgauer" der Ort Prien am Chiemsee ist. Andere Währungen, die unter dem Stichwort "Regionalwährung" laufen aber eher "Lokalwährungen" sind, konzentrieren sich dagegen auf einzelne Städte und deren näheres Umland. Genannt werden sollen in dem Zusammenhang der "Bremer Roland", der "Kamenzer", der "Berliner".

Wenn eine Regionalwährung aufgebaut werden soll ist es wichtig, die Größe der Region, in der diese Währung aktiv werden soll, zu beachten. Wird der Währungsraum zu groß gewählt, können wirtschaftsschwache Teil-Regionen innerhalb dieses Währungsraumes von Kaufkraft-Abfluß betroffen sein. Dies ist das Hauptproblem des Euro-Währungsraumes, weshalb derzeit Regionalwährungen entstehen. Wird der Währungsraum zu klein gewählt, treten andere Probleme auf.

Das Problem der Kritischen Masse

In der Aufbauphase einer Regionalwährung ist es wichtig, möglichst viele Wirtschaftsteilnehmer davon zu überzeugen, die Regionalwährung als Zahlungsmittel zu akzeptieren und zu verwenden. Erst wenn jeder einzelne Wirtschaftsteilnehmer die Möglichkeit hat, seine (wirtschaftlichen) Bedürfnisse mit Hilfe dieser Regionalwährung zu befriedigen, kann von einer allgemeinen Akzeptanz der Währung gesprochen werden. Dabei gilt das Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung:

  • Nutzen nur wenige Wirtschaftsteilnehmer die Regionalwährung, besteht für die anderen Wirtschaftsteilnehmer kaum ein Anreiz, die Währung ebenfalls zu benutzen, da es zu wenige Akzeptanzsstellen gibt.
  • Nutzen viele Wirtschaftsteilnehmer die Regionalwährung, lohnt es sich für die anderen Wirtschaftsteilnehmer ebenfalls, die Währung zu nutzen, da sie damit die benötigen Leistungen erwerben können.

Wenn eine Regionalwährung also auf die Befriedigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte ausgelegt sein soll, so muss langfristig gewährleistet sein, dass die Nutzer dieser Währung ihre wirtschaftlichen Bedürfnisse auch befriedigen können. Wird der Währungsraum zu klein gewählt besteht die Gefahr, dass zu wenige Akzeptanzstellen existieren. Gibt es für die Währungsnutzer zu wenige Möglichkeiten, ihre eigenen Einnahmen wieder auszugeben, wird ihre eigene Bereitschaft zur Akzeptanz der Regionalwährung sinken. Langfristig kann dies dazu führen, dass das Vertrauen in die Regionalwährung verloren geht. Vertrauen ist jedoch das wichtigste Erfolgsmerkmal für eine Währung.

Das Problem der Selbstversorgung

Eine Regionalwährung sollte - im Gegensatz zu sektoralen Währungen wie Sozial-, Kultur- oder Bildungswährungen - in erster Linie wirtschaftliche Bedürfnisse der Menschen erfüllen helfen. Dies kann sie jedoch nur, wenn die Region so groß gewählt wird, dass sie in der Lage ist, die in der Region wohnenden Menschen mit den wichtigsten Gütern und (Dienst-)Leistungen zu versorgen. Besonders betrifft dies die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Energie, Wohnraum, regionalem Transport. Am Beispiel der Metropole Berlin lässt sich verdeutlichen, wie wichtig dieser Punkt ist: Die Stadt Berlin ist ohne sein Umland nicht in der Lage, sich selbst zu versorgen. Für die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern ist beispielsweise die Landwirtschaft der wichtigste Sektor. Innerhalb der Stadtgrenzen ist Landwirtschaft nicht annähernd in dem Maße möglich, wie nötig ist, um alle Einwohner Berlins mit Lebensmitteln zu versorgen. Berlin ist deshalb darauf angewiesen, sein Umland in den Versorgungsprozess einzubeziehen. Eine Regionalwährung, die das Umland von Berlin nicht einbezieht, kann in der Landwirtschaft keine geschlossenen Wirtschaftskreisläufe in der Region herstellen und unterstützen.

Das Formen regionaler Wirtschaftskreisläufe ist eine wichtige Eigenschaft von Regionalwährungen. Bildlich gesprochen sind Währungen das Flussmittel, mit dessen Hilfe Leistungen und Güter im Wirtschaftskreislauf "transportiert" werden. Dieser Vorgang ist durchaus mit dem Wasserkreislauf der Natur vergleichbar, bei dem das Wasser als Trägermedium für Nährstoffe fungiert. Erst das Vorhandensein von Wasser lässt Pflanzen wachsen und darauf aufbauend ganze Nahrungsketten entstehen. Das Wasser kann jedoch nur jene Nährstoffe transportieren, die in seinem "Einzugsgebiet" liegen.

Bezogen auf eine Großstadt wie Berlin bedeutet dies, dass nur jene Leistungen über das Regionalwährungssystem "transportiert" werden können, die in der Region erbracht werden, die von der Regionalwährung abgedeckt wird. Bleibt die Berliner Regionalwährung "Berliner" also auf die städtischen Bereiche begrenzt, so können mit ihrer Hilfe alle möglichen (Dienst-)Leistungen im Wirtschaftskreislauf transportiert werden, die Versorgung mit Produkten der Landwirtschaft ist so jedoch nicht in ausreichendem Maße möglich. Eine Selbstversorgung der Stadt ist ohne Landwirtschaftsprodukte nicht möglich.

Eine Regionalwährung, welche langfristig wirtschaftlich eine bedeutsame Rolle spielen will, sollte diese Aspekte einbeziehen. Die Größe des Währungsraumes muss die Besiedlungs-Situation berücksichtigen und am Beispiel Berlins dazu führen, dass das Umland in den Regionalwährungsraum einbezogen wird.

Was ist die optimale Größe eines Regionalwährungsraumes und wie wird sie bestimmt?

Um wirtschaftliche Relevanz zu erhalten, muss der geografische Raum, für den eine Regionalwährung konzipiert wird, groß genug sein, um

  • eine kritische Masse an Wirtschaftsteilnehmern zu erreichen (Aufbauphase der Regionalwährung) und
  • die Selbstversorgung mit alltäglichen Gütern der Region zu gewährleisten (Etablierungsphase der Regionalwährung).

Am elegantesten ergibt sich die Größe des Währungsraumes durch die Namenswahl der Regionalwährung. Ein Regionalwährungsschein mit der Aufschrift "Chiemgauer" wird nur in Ausnahmefällen Akzeptanz außerhalb des Chiemgau finden und verbleibt damit innerhalb des Chiemgau. Allein die Wahl des Namens sorgt also für eine Abgrenzung nach außen. Knüpft der Name an geografischen oder historischen Besonderheiten an, die innerhalb der Region bekannt sind, fördert dies zugleich die Bildung eines regionalen Bewusstseins und gibt der Regionalwährung einen "Marketingvorsprung". Die Menschen in der Region können sich leichter mit dem Zahlungsmittel identifizieren und die Akzeptanzbereitschaft steigt.
Wird die Regionalwährung nach Kunstbegriffen benannt (Beispiel "Kannwas"), kann von der Bevölkerung kein regionaler Bezug zur Namenswahl hergestellt werden. Je nach Region kann auch das vorteilhaft sein: Eben weil kein regionaler Bezug da ist können sich die Menschen unabhängig ihrer Herkunft mit ihm identifizieren.

Volkswirtschaftlich gesehen wird die optimale Größe des Regionalwährungsraumes durch die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft bestimmt. Je leistungsfähiger eine Wirtschaftsregion ist, desto mehr Güter werden hergestellt und desto wahrscheinlicher finden Güter den Weg in andere Absatzregionen. Um Kaufkraftabflüsse aus wirtschaftsschwachen Teil-Regionen zu verhindern, sollte die Region daher eine weitgehend gleichmäßige Verteilung der Leistungsfähigkeit besitzen. Der geografische Raum, sollte also klein genug sein, damit keine Region den anderen die Kaufkraft 'absaugen' kann. Dabei sind zwei Dinge zu beachten:

  • Die Regionen innerhalb des wirtschaftlichen Raumes dürfen keine großen Unterschiede in ihrer Leistungsfähigkeit aufweisen. (Der verlässlichste Indikator für die Leistungsfähigkeit einer Region ist das Pro-Kopf-Einkommen innerhalb einer Region.)
  • Gibt es doch größere Unterschiede muss zumindest eine strukturelle Kopplung existieren, welche die Kaufkraft wieder in die benachteiligten Räume bringt. (Beispiele für solch eine strukturelle Kopplung sind: Ein landwirtschaftlich dominierter Raum, der einen Ballungsraum versorgt. Ein landwirtschaftlich dominierter Raum, in dem viele Pendler eines Ballungsraumes wohnen.)

Fazit

Die Größe des geografischen Raumes, in welchem eine Regionalwährung gültig ist, ist ein wichtiger Faktor für die Erfolgswahrscheinlichkeit des Währungssystems. Sie beeinflusst die Menge an potentiellen Teilnehmern (Stichwort "kritische Masse") sowie den Grad der wirtschaftlichen Selbstversorgung der Region. Außerdem hängt die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Region von einer ausgewogenen Verteilung der Wirtschaftskraft ab. Die Namenswahl für die Regionalwährung bestimmt die Größe des Währungsraumes, beeinflusst die Akzeptanz der Währung bei den Menschen und ist als Marketinginstrument für die Währung von Bedeutung.

Drucken

Fußnoten

Thomas Koudela, Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 11.05.2005