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Probleme startender Regionalwährungsinitiativen

Der folgende Text ist an dem Impulsreferat für den Workshop "Strukturaufbau Ost – Probleme startender Regionalwährungen in strukturschwachen Regionen" angelehnt, welchen ich auf dem 4. Regionalgeldkongreß am 30. September 2006 in Weimar angeboten habe.

Startende Regionalwährungsinitiativen stehen vor einer Vielzahl von Problemen, die sich in drei große Gruppen bündeln lassen:

  1. mangelnde personelle und finanzielle Ausstattung – organisatorische Probleme
  2. Schwierigkeiten bei der Kommunikation der komplexen Themen Geld & Wirtschaft – Akzeptanz- und Kommunikationsprobleme
  3. wirtschaftsstrukturelle Probleme

Dabei bedingt eine Problemgruppe die andere, die Probleme sind eng miteinander verzahnt.

Organisatorische Probleme

Die meisten Regionalwährungsinitiativen sind nicht-institutionell entstanden. Das heißt, nicht Behörden oder Institutionen haben die Initiative auf den Weg gebracht, sondern interessierte Bürger. Was aus demokratischer Sicht sehr begrüßenswert ist, führt zu Problemen bei der Umsetzung. Denn Bürger, die sich hauptberuflich um ihren Lebensunterhalt kümmern müssen und oft aus Fachbereichen abseits der Ökonomie kommen, haben wenig Zeit, sich intensiv um das "Spielfeld Regionalwährung" zu kümmern. Nicht nur, daß Informationen eingeholt werden müssen (Bücher und Internet bieten vielfach Zugang zu Geld-Infos), die Informationen müssen verarbeitet und in eigene Konzepte überführt werden. Es gibt bislang kein Patentrezept, wie eine Regionalwährung aufgebaut und eingeführt werden könnte. Für die Initiatoren bedeutet dies Grundlagenarbeit.

Eine Regionalwährung dauerhaft zu etablieren ist nur möglich, wenn eine Vielzahl von Wirtschaftsakteuren einer Region die Währung als Zahlungsmittel akzeptiert. Das bedeutet für eine Regionalwährungsinitiative die Notwendigkeit, nach außen zu gehen, um Teilnehmer zu werben und das Projekt bekannt zu machen. Die Organisation von Veranstaltungen und Informationsmaterialien kostet Geld – Geld, welches die Initiatoren neben ihrem zeitlichen Engagement aufwenden müssen.

Während Institutionen, Behörden und größere Unternehmen zum Teil auf vergleichsweise große finanzielle Mittel zurückgreifen können, finanzieren sich die meisten Regiogeldinitiativen derzeit aus den privaten Einlagen ihrer Initiatoren. Förderungen, wie beim Chiemgauer und Waldviertler, sind bislang selten. Allein die Überwindung der Bürokratiehürde bei der Antragstellung für Fördergelder überschreitet nicht selten die Kompetenzen der Regiogeldinitiatoren.

Akzeptanz- und Kommunikationsprobleme

Wirtschaft ist komplex. Die deutsche Volkswirtschaft besteht aus 82.5 Millionen menschlichen Akteuren und vielen weiteren Millionen Unternehmen, Behörden, Vereinen und weiteren Institutionen, die alle am Wirtschaftsleben teilnehmen und miteinander interagieren. Den meisten Menschen ist die Komplexität des Systems, in welchem sie ihren "Lebensunterhalt bestreiten" nicht bewußt.
Ein Regiogeldsystem zu etablieren heißt vor allem in der Anfangsphase, Mitstreiter zu gewinnen. Diese Mitstreiter müssen sich jedoch auf völlig neue Sichten auf die Ökonomie einlassen, die über das tägliche "Arbeiten gehen" und das tägliche "Shopping" hinausgehen.
Die Frage "Was ist Geld?" haben sich die meisten Menschen nie gestellt. Umso seltsamer erscheint vielen die Idee, das Geldsystem verändern zu wollen. Zumal doch grade erst der Euro eingeführt und die nationalen Währungen in Europa abgelöst wurden...

Hinter den Regionalwährungen steht vor allem auch ein Gedanke: Der Wirtschaftsstruktur eine regionale Orientierung zu geben. Dieser Gedanke widerspricht jedoch den meisten Meinungen, denen die Bevölkerung heute über die Medien ausgesetzt ist. "Globalisierung" ist dort ein unabänderlich scheinendes Stichwort. Den Globalisierungs-Prozeß durch eine Regionalisierung zu ergänzen stößt deshalb längst nicht überall auf offene Ohren und Verständnis.

Daraus folgt, daß der Regionalwährungs-Gedanke einfach verständlich formuliert werden sollte. Heute geschieht dies meist in Form von Texten: Im Internet, in Broschüren oder Büchern. Doch Texte sind sequentiell strukturierte Informationen, mit denen sich vernetzte und ineinander verzahnte Gebilde, wie die Wirtschaft es ist, nur schwer darstellen lassen. Und die Vielzahl der Fragen, welche die Menschen an Regionalwährungs-Initiatoren herantragen, ist enorm.

Wirtschaftsstrukturelle Probleme

Selbst wenn nun also Methoden zur Kommunikation des Phänomens "Regionalgeld" gefunden wurden und mit deren Hilfe Mitstreiter gewonnen wurden, stehen Regionalwährungsinitiativen vor dem Problem der lückenhaften Wirtschaftsstruktur.

Regionalgeld kann – so ist seine Natur – nur in der Region ausgegeben werden, aus der es stammt. Dies ist beabsichtigt, denn nur so wird die Kaufkraft an die Region gebunden. Das bedeutet zugleich jedoch auch, daß nur jene Produkte und Leistungen mit Regionalgeld gekauft werden können, die in der jeweiligen Region verfügbar sind.

Der Begriff "strukturschwache Gebiete" deutet bereits an, wo hier das Problem liegt:
Manche Regionen besitzen kaum engmaschige Wirtschaftskreisläufe und wenig produzierendes Gewerbe. Wenn nun in solchen Regionen Regiogeld emittiert wird, so kann es schnell passieren, daß "Stauungen" im Geldkreislauf auftreten: Ein Unternehmen nimmt Regiogeld ein, findet jedoch niemanden, der für dieses Regiogeld jene Leistungen liefert, die das Unternehmen braucht. In dieser Situation kann es passieren, daß Unternehmen sich wieder vom Regiogeld verabschieden. Perspektivisch kann dann ein Mißerfolg der Regionalwährung vorausgesagt werden.

Dabei stehen die Regionalwährungsinitiativen vor einem Dilemma: Die fehlenden Wirtschaftskreisläufe in der Region bremsen den Fluß des Regiogeldes. Die mangelhafte Wirtschaftsstruktur verhindert also die Etablierung jenes Werkzeuges, welches dabei helfen soll, eben jene Strukturschwäche zu überwinden.

Lösungsvorschläge

Um die personelle und finanzielle Knappheit zu überwinden, sollten Regioinitiativen versucht sein, Akteure anzusprechen, die über Autorität und/oder personelle oder finanzielle Mittel verfügen.

  • Zusammenarbeit mit Kommunen (Bsp: Volmetaler)
  • Förderung durch staatliche Institutionen (Bsp: Waldviertler)
  • Einbettung in existierende Wirtschaftsförderung, Regionalmanagement, Regionalentwicklungskonzepte

Dazu muß das Thema "Regionalgeld" und seine Vorteile und Wirkungen auf die Begriffs- und Vorstellungswelt des Ansprechpartners zugeschnitten werden. Hierfür sollten neue Formen der Kommunikation ausprobiert werden, zu empfehlen ist:

  • Visionen formulieren, die deutlich machen, welche langfristigen Wirkungen erzielt werden könnten
  • neue Darstellungsformen finden (Bsp: Film, Spiele)

Die folgende 3D-Animation soll als Versuch verstanden werden, neue Darstellungsformen auszuprobieren. Unser Ansatz, der künftig noch erweitert wird ist, die Grundakteure in der Wirtschaft und ihre Verknüpfungen darzustellen. Dabei wird nicht nur deutlich, daß Unternehmen aus Netzen von Angestellten beschrieben werden können, sondern auch die Wirtschaft im Ganzen als Netz begriffen werden kann. Die Verbindungen zwischen den Netzwerkknoten sind dabei soziale oder wirtschaftliche Beziehungen, wobei wirtschaftliche Beziehungen immer durch einen Austausch von Geld und Leistung gekennzeichnet sind.

Die Netzwerkdarstellung zeigt zugleich einen Ausweg, wie die wirtschaftsstrukturellen Probleme angegangen werden können. Hilfreich ist es für Regionalwährungsinitiativen, die "kritische Masse" an Teilnehmern möglichst schnell zu erreichen. Je mehr Produkte und Leistungen neue Teilnehmer am Regionalwährungssystem innerhalb dieses Systems vorfinden, umso niedriger wird die Hemmschwelle, dem System beizutreten.
Darüber hinaus sollten Lücken in der regionalen Wertschöpfungskette erkannt und erfaßt werden. Diese Lücken bieten die Chance zur Existenzgründung, weshalb eine Zusammenarbeit mit Instituten, die Existenzgründungen fördern, sinnvoll ist. Eine aktive Leistungs-/Produktvermittlung zwischen den Akteuren des regionalen Netzes sollte unbedingter Bestandteil der Arbeit von Regionalwährungsinitiativen sein. Die Netzwerktätigkeit hilft nicht nur, Vertrauen in die Arbeit der Initiative aufzubauen, sondern auch, regionale Produkte abzusetzen und damit die Wirtschaftsstruktur direkt zu verbessern.

Zusammengefaßt:

  • kritische Masse möglichst schnell erreichen
  • neue Strukturen schaffen durch:
  • Existenzgründungen fördern
  • Leistungen vermitteln, Netzwerke formen
  • Einbettung in bestehendes Regionalmanagement/Regionalentwicklungskonzepte

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 09.10.2006