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Regionalwährung: Regionales Eigenkapital, Entschuldungswerkzeug und Schlüssel zur regionalen Selbstversorgung

Regionalwährungen als regionales Eigenkapital

Aus der betriebswirtschaftlichen Sichtweise ist der Begriff "Eigenkapital" bekannt als ein Maß dafür, wie finanzstark ein Unternehmen aus sich selbst heraus ist. Demgegenüber gibt "Fremdkapital" an, wie abhängig das Unternehmen von externen Geldgebern ist.

Die heutigen Geldsysteme bevorzugen Fremdkapitalgeber gegenüber Eigenkapitalgebern, da erstere meist die höhere Verzinsung durchsetzen können ("Urzins", "Sockelzins" ist immer positiv, siehe Diplomarbeit: Eine experimentelle Überprüfung der Aussagen der Freiwirtschaftstheorie). Im Laufe der Zeit führt diese Zins-Differenz zu einer Verdrängungstendenz, bei der die Eigenkapitaldecke der Unternehmer zugunsten des Fremdkapitalanteiles sinkt.

Die Eigenkapitaldecke der Gesamtmenge aller Unternehmen einer Region kann als "regionales Eigenkapital" betrachtet werden. Eine Regionalwährung kann dazu beitragen, dieses "regionale Eigenkapital" zu steigern, indem den regional agierenden Unternehmern (vorwiegend kleine und mittelständische Unternehmen/"KMUs") ein region-internes Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt wird: Eine Regionalwährung. Als regionsinterne Verrechnungseinheit bildet sie einen regionalen Markt heraus und erlaubt es den in diesem Markt wirtschaftenden Unternehmen unabhängig von außer-regionalen Kapitalgebern Transaktionen abzuwickeln.

Wird die Regionalwährung als umlaufgebührengesicherte Währung konzipiert, so senkt dies die region-internen (Re-)Finanzierungskosten, also die Zinssätze. Eine ins Regionalwährungssystem integrierte Geldhaltegebühr ist vergleichbar mit einer befristeten Gültigkeit von Gutscheinen, wie sie zur Kundenbindung von vielen Unternehmen eingesetzt wird. Diese zeitliche Befristung sorgt für einen stetigen Umlauf der Währung und damit für einen zinssenkenden Angebotsdruck auf den Geldhalter.

Mit Hilfe einer umlaufgebührengesicherten Regionalwährung sind regional agierende Unternehmen und die regionale Bevölkerung in der Lage, sich gegenseitig zinsgünstige Kredite zu geben. Im globalen Kontext hat eine Region mit Regionalwährung einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Regionen ohne Regionalwährung, da sie in der Lage ist aus sich selbst heraus regionsinterne Projekte zu finanzieren und zu realisieren.

Eine Regionalwährung stärkt somit die Eigenkapitaldecke der Gesamtmenge der regionalen Unternehmen und durch die zusätzlichen Umsatzmöglichkeiten auch die Eigenkapitaldecke jedes einzelnen Unternehmens.

Regionales Eigenkapital zur Entschuldung von Regionen

Beim Aufbau einer Regionalwährung bietet sich für die Kommunen in der Region die Möglichkeit, ihre Verschuldung am internationalen Kapitalmarkt zu verringern. Bei der Ausgabe einer Regionalwährung wird dabei eine Umschuldung vorgenommen, bei der sich die Kommunen zu niedrigeren Zinsen bei den eigenen regionalen Wirtschaftsteilnehmern verschuldet, um die außer-regionalen Schulden abzuzahlen.

Möglich ist dieses Vorgehen nur bei einer Regionalwährung, welche durch Verkauf gegen Euro in Umlauf gebracht wird. Tauschen Wirtschaftsteilnehmer Euro gegen Regio, so müssen die Euro-Einnahmen treuhänderisch verwaltet werden, um später eventuell beanspruchte Rück-Abwicklungen vornehmen zu können. Für den Rücktausch Regio-zu-Euro wird jedoch die Installation einer Rücktauschgebühr empfohlen (Empfehlung: 10%), um die Wirtschaftsteilnehmer anzuhalten, primär mit der Regionalwährung zu wirtschaften.

Die durch diese Vorgehensweise entstehenden Rücklagen und Einnahmen in Euro können nun als zinsgünstigen oder zinslosen Kredit an die verschuldeten Gemeinden vergeben werden, damit diese ihre Schulden bei außerregionalen Kapitalgebern ablösen können. Die zinsgünstige Umschuldung bietet den Kommunen im ersten Schritt den Ausstieg aus der zinseszinsbedingten Schuldenfalle und im zweiten Schritt die allmähliche Rückzahlung der Kredite an die eigenen Wirtschaftsteilnehmer.

Dieser Weg entspricht einer Kreditvergabe der regionalen Unternehmerschaft und der regionalen Bevölkerung an die eigenen Kommunen und damit die Rückgewinnung des eigenen Einflußbereiches der Menschen in ihrer eigenen Region und die Loslösung der Kommunen von "finanziellen Sachzwängen".

Regionalwährungen als Werkzeug zur regionalen Selbstversorgung und Schlüssel zu ökonomischer Unabhängigkeit

Als regional eingesetztes Tauschmittel bilden regionale Währungen regionale Märkte (siehe Regionale Märkte als Ausweg aus der Globalisierungsfalle). Innerhalb dieser Märkte stimuliert eine Regionalwährung regionale Wertschöpfungsketten und verlagert einzelne Wertschöpfungsstufen in die Region. Jede Wertschöpfungskette, die im Rahmen dieses Prozesses vollständig in der Region liegt, steigert das Maß der Selbstversorgung der Region. Je größer das Maß an Selbstversorgung einer Region ist, umso unabhängiger ist sie von außerregionalen Ereignissen (Stichwort: Politische, gesellschaftliche und geostrategische Entwicklungen und Konflikte, Naturkatastrophen). Trotzdem bleibt jeder Region der Zugang zum globalen Markt, zur globalen Arbeitsteilung und zu global den gehandelten Ressourcen und Waren indem sie sich für globale Währungssysteme öffnet.

Die Stärkung regionaler Selbstversorgung und ökonomischer Unabhängigkeit entspricht dabei der zunehmenden Tendenz zu Dezentralität ("small is beautifull"). Regionalwährungen fördern dezentrale ökonomische Strukturen und können ergänzt werden durch dezentrale Energie-Gewinnung (Solartechnik, Biomasse, regenerative Energien, siehe auch Regionales Wirtschaften mit Regionalwährungen kontra "Peak Oil"), dezentrale Kommunikations- (Internet, VoIP) und –gesellschaftsformen (Subsidarität, Direkte Demokratie).

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 01.08.2005