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Transcript: "Was ist Regiogeld?"
Regiogeld oder auch Regionalgeld ist ein relativ junges Phänomen in der Ökonomie. Seitdem im Jahr 2003 der Chiemgauer am Chiemsee gestartet ist, hat das Projekt zahlreiche Nachahmer gefunden und die Vorstellungen davon, wie Geld funktionieren kann, enorm bereichert. Regiogeld ist ein für eine Region konzipiertes Zahlungsmittel, welches zusätzlich zum Euro eingesetzt wird.
Wie wirkt Regiogeld?
Es ist eine Art Grundprinzip in der Wirtschaft: Fließen Waren oder Dienstleistungen in die eine Richtung, so fließt Geld in die entgegengesetzte Richtung. Jeder kennt dies, wenn er beispielsweise seine Brötchen beim Bäcker kauft: Die Brötchen wechseln den Besitzer vom Bäcker zum Käufer und das Geld nimmt den umgekehrten Weg und wechselt vom Käufer zum Bäcker.
Das gleiche passiert, wenn der Bäcker Zulieferleistungen zu seinen Produkten einkauft: Backzutaten wie Mehl, Körner oder Obst, Energie oder Reinigungsleistungen oder die menschliche Arbeitskraft seiner Angestellten. In jedem Fall fließen Waren oder Leistungen in die eine Richtung und Geld in die entgegengesetzte Richtung.
Dieses Grundprinzip kann man nun in einen geografischen Kontext setzen. Seit einigen Jahren hat sich der Währungsraum auf ganz Europa ausgedehnt, der passende Rahmen für eine geografische Sichtweise ist also Europa. Innerhalb dieses Währungsraumes gilt dasselbe Prinzip: Fließen Waren oder Leistungen in die eine Richtung fließen die Erlöse in Form von Geld genau entgegengesetzt.
In großen Währungsräumen kann dieses Prinzip zum Problem werden. Manchmal fließen einzelne Geld- und Leistungsflüsse ähnlich wie in Einbahnstraßen immer in eine Richtung und es gibt keine Gegenflüsse, die die Verteilung von Geld und Waren wieder ausgleichen.
Es gibt in Europa verschiedene Regionen, die als strukturschwach gelten. Diese Regionen produzieren vergleichsweise wenige Waren aus sich selbst heraus. Sie kaufen Waren in anderen Regionen, deren Wirtschaftsstruktur so ausgebaut ist, daß sie entsprechende Produktionskapazitäten haben. Damit bilden sich jedoch zwei Arten von Regionen heraus: Strukturstarke Regionen, die Produkte herstellen und in anderen Regionen verkaufen, sowie strukturschwache Regionen, die Produkte von außerhalb einkaufen und dies mit einem dauerhaften Abfluss von Kaufkraft bezahlen.
Für strukturschwache Regionen droht ein Teufelskreis:
Die niedrige Kaufkraft beschränkt die Einnahmemöglichkeiten der Unternehmer. Niedrige Erlöse der Unternehmen führen zu niedrigen Löhnen und einem Umfeld, welches Unternehmensgründungen erschwert. Fehlende Arbeitsplätze und niedrige Löhne führen zu Abwanderung. Alle diese Aspekte verstärken die Strukturschwäche der Region und werden insbesondere vom Abfluss von Kaufkraft angetrieben. Vor allem die Abwanderungstendenzen verfestigen die Strukturschwäche der Region, da oft gerade jene Menschen die Region verlassen, die am Flexibelsten sind und am besten helfen könnten, die Strukturschwäche zu überwinden.
Parallel zu den Geldströmen gibt es Wanderungsströme von Fachkräften. Sie gehen dorthin, wo das Geld hinfliesst, weil dort ihre Arbeitskraft zur Produktion benötigt wird und dort auch das Geld vorhanden ist, um sie zu bezahlen. Im Spannungsfeld zwischen strukturstarken und strukturschwachen Regionen, verlieren die strukturschwachen Regionen an Kaufkraft und Fachpersonal und haben bei Fortgang der Entwicklung kaum Chancen, ihre Strukturschwäche zu überwinden. (Heute versuchen wir, dieser Entwicklung durch staatliche Förderprogramme für ländliche Regionen und den Solidaritätsbeitrag auszugleichen.)
Unter anderem aus diesen Gründen hat sich im deutschsprachigen Raum das Phänomen regionaler Gelder entwickelt. Der Regiogeld-Verband, in dem sich die meisten dieser Initiativen organisiert haben, kennt über 60 regionale Initiativen von denen etwa zwei Dutzend bereits mit einem regionalen Zahlungsmittel gestartet sind. Im volkswirtschaftlichen Rahmen spielen diese Gelder bislang eine sehr kleine Rolle. 2500 teilnehmende Unternehmen und eine Geldmenge im Gegenwert von einigen hunderttausend Euro sind klein, zumal wenn man sich die Summen vor Augen hält, die im Rahmen der Finanz- und Wirtschaftskrise als staatliche Beihilfen im Raum stehen.
Der Urstromtaler, dessen Scheine hier zu sehen sind, ist für Sachsen-Anhalt gedacht. Der Urstromtaler ist ein leistungsgedecktes Regiogeld, welches nicht nur in Form von Papierscheinen existiert, sondern auch elektronische Verrechnungen ermöglicht.
Wie wirkt nun Regiogeld?
So wie der Euro also im europäischen Rahmen gesehen werden muss, wird Regiogeld in einem regionalen Rahmen aktiv. Egal welche Region man betrachtet, ob die Lausitz, die Region Dresden oder eben Sachsen-Anhalt oder den Chiemgau, in jedem Fall gilt: Erlöse, die in Regiogeld erzielt werden, werden garantiert wieder in derselben Region ausgegeben. Je weiter sich jemand vom Chiemgau wegbewegt, umso unwahrscheinlicher wird es, daß er einen Wirtschaftsakteur findet, der "Chiemgauer" als Zahlungsmittel akzeptiert. Entsprechend verbleibt das Zahlungsmittel in der jeweiligen Region, da nur dort Akzeptanzstellen zu finden sind. Diese geografische Beschränkung entfaltet jedoch Wirkungen, die den jeweiligen Regionen zugute kommen:
Die Kaufkraftbindung durch die Regionalität sorgt für eine lokale Auftragsvergabe, die regional Umsatz ermöglicht, Arbeitsplätze und die regionale Wirtschaft fördert.
Am Beispiel des Bäckers soll das deutlich werden. Stellt man sich vor, man geht mit Euro seine Brötchen einkaufen, so ist der Bäcker völlig frei in der Verwendung seiner Einnahmen. Er kann damit europaweit Zulieferleistungen wie Maschinen, Mehl, andere Backzutaten oder Energie kaufen. Wechselt beim Einkauf jedoch ein regionales Zahlungsmittel den Besitzer, so ist der Bäcker in der Situation, seine Lieferantenstruktur zu überdenken. Woher bezieht er seine Zulieferungen? Finden sich regionale Lieferanten unter seinen Geschäftspartnern, die das regionale Zahlungsmittel akzeptieren können? Oder ist es sinnvoll, sich für einzelne zuzukaufende Leistungen neue regionale Lieferanten zu suchen? Stellen wir uns also vor, der Bäcker bezieht Mehl künftig von einem regionalen Müller, so ist auch der Müller in der Situation, seine Lieferantenstruktur zu überdenken. Möglicherweise bezieht er Getreide künftig von regionalen Landwirten oder Energie von regionalen Energieproduzenten oder vergibt Handwerksaufträge an regionale Handwerker. In jedem Fall sorgt Regiogeld dafür, daß von Wertschöpfungsstufe zu Wertschöpfungsstufe jeder Wirtschaftsakteur über sein eigenes Einkaufsverhalten nachdenkt und es gegebenfalls anpasst - mit dem Effekt der Stärkung regionaler Wirtschaftskreisläufe und einer zunehmenden lokalen Auftragsvergabe, die ihrerseits Wirkungen auf die Einnahmesituation der Unternehmen und die Schaffung von Arbeitsplätzen hat.
Währungen formen, wenn sie von Wirtschaftsakteur zu Wirtschaftsakteur fließen, ein Netzwerk aus Geschäftsbeziehungen. Regionale Zahlungsmittel formen zusätzlich zum Euro-Netzwerk regionale Netzwerke, indem bestehende regionale Geschäftsbeziehungen verstärkt oder neue Verbindungen geknüpft werden. Dabei ist es durchaus wahrscheinlich, daß Lücken in der regionalen Wertschöpfungskette entdeckt und durch Existenzgründungen oder Geschäftserweiterungen gefüllt werden können. Dies stärkt die regionale Wirtschaftsstruktur und ermöglicht es auch strukturschwachen Regionen, neue Strukturen aufzubauen und die Strukturschwäche tendenziell zu überwinden.
Aus dem Einsatz von Regiogeld folgt also:
- die Förderung regionaler Produkte und Leistungen
- sich verkürzende Transportwege – mit Wirkungen auf den Umweltverbrauch
- und eine näher zum Konsum rückende Produktion, was im Hinblick auf die Fragen interessant ist: Wie werden die von uns gekauften Produkte eigentlich hergestellt? Welche Arbeits- und Produktionsbedingungen herrschen? Der Produktionsprozess läßt sich leichter beobachten, wenn er in geografischer Nähe stattfindet, als wenn Produkte auf der anderen Seite des Planeten hergestellt werden.
Regiogeld erweitert die Währungswelt. Was wir hier sehen ist im Grunde die Welt der Währungen, wie wir sie heute kennen: Dollar, Euro, japanischer Yen, Rubel, britisches Pfund usw.
Regiogeld ergänzt diese Ebene nun um eine weitere Ebene, auf der kleinräumiger orientierte Währungssysteme zu einer Restrukturierung der Wirtschaftsarchitektur führen, indem regionale Wirtschaftskreisläufe und regionale Wirtschaftsnetze verstärkt entstehen.
Konsequenterweise sollten diese Ebenen um eine weitere Ebene ergänzt werden: Ein globales Zahlungsmittel, welches für den globalen Warenaustausch eingesetzt werden kann.
Als Ergebnis entstünde ein mehrschichtiges Währungssystem, in welchem Zahlungsmittel je nach Ziel- und Aufgabengebiet entwickelt und eingesetzt würden: Regionale Zahlungsmittel für regionales Wirtschaften, kontinentale Zahlungsmittel für den überregionalen Leistungsaustausch sowie ein globales Zahlungsmittel für den globalen Handel. Ein redundant ausgelegtes, mehrschichtiges Währungssystem sollte stabiler sein als die bislang existierende Monokultur der Währungen.
Regiogeld ist ein Werkzeug für eine nachhaltige Regionalentwicklung, nicht nur in den Industrieländern sondern auch in den sich entwickelnden Gegenden des Planeten. Es berührt verschiedene Aspekte der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens.
Als Wirtschaftsförderwerkzeug kann es als Anreizsystem zum Aufbau regionaler Wirtschaftsstrukturen eingesetzt werden.
Als neuartiges Finanzierungswerkzeug kann es hilfreich sein, um regionale Projekte zu finanzieren. Grade dann, wenn herkömmliche Finanzierungswege ausfallen, wie es in Wirtschaftskrisen oft der Fall ist.
Der Marketingaspekt wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, daß verschiedene Regiogeld-Initiativen die Rückseiten ihrer Regiogeld-Scheine für Werbeanzeigen der teilnehmenden Unternehmen nutzen. Das ist Werbung die garantiert niemand wegwirft, die sich von Hand zu Hand bewegt und damit garantiert eine regionale Zielgruppe mit Kaufkraft erreicht.
Über die Frage, wie groß der optimale Währungsraum für ein Regiogeld sein sollte und welchen Namen die Währung tragen soll entfalten sich Diskussionen über eine regionale Identität. Im Zeitalter globaler Strukturen wird die Frage immer wichtiger: Wer sind wir und wohin fühlen wir uns zugehörig?
Darüber hinaus beinhaltet Regiogeld einen starken Bildungsaspekt, da anhand des scheinbar unzeitgemäßen Ansatzes kleinräumiger Währungs- und Wirtschaftssysteme Fragen provoziert werden wie:
- Wie funktioniert Geld?
- Wie kommt es in die Welt?
- Welche Geldarten sind denkbar?
- In welcher Region lebe ich und wie sieht die hiesige Wirtschaft aus?
- Wie funktionieren Wertschöpfungsketten und wie formen sich regionale Wirtschaftskreisläufe?
- Wie wollen wir künftig Wirtschaften?
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