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Währungswettbewerb – Chance für die Gesellschaft?

Das Phänomen der regionalen Gelder in Europa bringt neue Gedanken in die ökonomische und gesellschaftliche Diskussion. Die Vielfalt der Gelder, die teilweise recht unterschiedlich konstruiert sind, wirft die Frage nach dem optimalen Geldsystem auf. Befeuert wird diese Diskussion zudem durch die anschwellende Finanzkrise, die auf globaler Ebene weltweit Auswirkungen zeigt und – wie oft in Krisensituationen – die Suche nach neuen Wegen befördert.

Die Idee mehrschichtiger bzw. mehrdimensionaler Währungssysteme ist relativ neu. Es gibt wenige praktische Erfahrungen und bislang keine juristische Unterfütterung dieser Weiterentwicklung der Ökonomie. Die reale Umsetzung wird wohl erst mit der Zeit ihre Entsprechung im Rechtssystem finden. Doch es zeichnet sich bereits ab, daß Geld um Dimensionen vielfältiger gedacht werden kann, also dies bislang der Fall war. Geld, das war bislang das zentralistisch verwaltete, gesetzliche Zahlungsmittel. Dabei sind eine Vielzahl von Parametern im Geldsystem änderbar, was zu einer Vielfalt von möglichen Geldformen führt.

Stellschrauben im Geldsystem

Die folgenden Parameter können in (neuen) Währungssystemen/Geldsystemen variiert werden und führen teils zu unterschiedlichem Einsatzgebiet und unterschiedlicher Wirkungsweise:

Geografischer oder sektoraler Bezug

Die Begrenzung des Geldes in Raum oder Sektor konzentriert die Dynamiken auf den angestrebten Bereich: Regiogeld für Regionen, Bildungswährungen als Anreizsystem im Bildungssektor, Pflegewährungen für den Gesundheitsbereich. Eine Einschränkung der Geldnutzung auf Nutzergruppen findet man heute beispielsweise bei Barter-Systemen, die die Verrechung auf Unternehmen beschränken und Endverbraucher außen vor lassen. Geld arbeitet dann als Anreizsystem, da es Transaktionen auf den gewählen Sektor beschränkt. Dies steuert das Handeln der damit damit hantierenden Akteure in eine bestimmte Richtungen. Wichtig ist hierbei die Zielsetzung eingesetzter Gelder, an der sich der Bezugsrahmen orientieren muß.

Integrierte Gebühren und deren Verwendung

Bisherige Geldsysteme kennen meist nur den Zinssatz, der für die Kreditvergabe bei der Geldemission erhoben wird. Dabei sind weitere Gebühren denkbar, die je nach Einsatzgebiet und Höhe die Gesamtdynamik des Systems verändern: Die freiwirtschaftliche Geldhaltegebühr, Rücktauschgebühren oder Transaktionsgebühren haben jeweils unterschiedliche Auswirkungen auf das Gesamtverhalten. Die Verwendung der daraus resultierenden Einnahmen kann ebenso vielfältig erfolgen: Ausschüttung an Vereine (wie beim Regiogeld Chiemgauer) oder gemeinwohlorientierte Projekte, Verwendung zur Kostendeckung, Ausschüttung als Grundeinkommen oder natürlich bei Privatwährungen als Privatgewinne der Betreiber.

Organisationsform

Bis vor wenigen Jahren war Geld immer an Nationalstaaten gebunden. Mit dem Euro hat sich diese Kopplung aufgelöst und mit Rabattsystemen wie Payback, Flugmeilen oder happydigits sind die ersten Ansätze privater Währungssysteme sichtbar. Die Kernfrage der Organisationsform ist: Wer administriert das Währungssystem? Denkbar sind staatliche, private, genossenschaftliche, kommunale oder möglicherweise auch total dezentralisierte Organisationsformen.

Geldschöpfung und Gelddeckung

Geldschöpfungsvorgang und Gelddeckung sind zwei eng aneinander gekoppelte Bereiche. Geld kann gedeckt sein durch andere Gelder (womit sie in erster Linie Derivate dieser Gelder sind), an Gold oder andere Rohstoffe, an Grund und Boden oder an die Leistungsfähigkeit der Akzeptanten.

Erscheinungsform

In welcher Form ist die Währung existent? In Papierform, elektronisch, als Träger von Kunst oder Kommerz (Währungen als Marketingsystem)?

Transparenz

Die Transparenz jedes Systems kann zwischen totalem Geldgeheimnis und zwischen totaler Offenheit liegen. Es wäre denkbar, daß nicht nur statistische Daten wie die Geldmenge, die Umlaufgeschwindigkeit oder die Anzahl der Geldnutzer öffentlich sind, sondern auch alle Kontostände und jede Transaktion innerhalb des Systems (Wer handelt mit wem? Über welche Beträge? Mit welchen Gütern/Leistungen?). "Versteckte faule Kredite" wären in transparenten Währungssystemen kaum möglich und mit großer Wahrscheinlichkeit hat das Maß der Transparenz Auswirkungen auf das Vertrauen der Systemnutzer untereinander sowie auf das Vertrauen in das Währungssystem selbst.

Usability & Service

Auch bei Währungen gilt: Handhabbarkeit ist ein entscheidendes Nutzungskriterium. Kann per Karte, eMail oder Handy gezahlt werden? Wie leicht ist der Zahlvorgang für Endverbraucher und Unternehmer? Zum denkbaren Service rund um Währungen gehört die Vermittlung und Vernetzung von Wirtschaftsakteuren oder die Bereitstellung von Handelsplattformen.

Umsetzungsstrategien

Die noch relativ junge Welt der Währungsvielfalt bringt auch unterschiedliche Ansätze hervor, wie ein Währungssystem umgesetzt werden kann. Von oben nach unten (Regierung beschließt, Volk führt aus) oder von unten nach oben (Bürger finden sich zusammen, nächsthöhere Ebene integriert sich) sind gängige Entwicklungswege. Die Erfahrung der Regiogelder zeigt, daß für eine Akzeptanz des Währungssystems nicht selten eine Anpassung an die Wahrnehmung, das Weltbild und die Situation der künftigen Nutzer nötig ist. Die gewählte Strategie hat natürlich Auswirkungen auf die Konstruktion des Systems.

Philosophie + Zielsetzung

Eine der wichtigsten Grundlagen eines Währungssystems ist die zugrundeliegende Philosophie und das mit dem Währungswerkzeug angestrebte Ziel. Handelt es sich um eine privatwirtschaftliche Unternehmung, die auf die Gewinnmaximierung der Betreiber ausgerichtet ist? Oder ist das Projekt eher gemeinwohlorientiert?
Die moralischen und kulturellen Grundlagen entscheiden darüber, wie die einzelnen Stellschrauben eingestellt werden und werden im Idealfall beim Einsatz des Währungssystems mit transportiert.

Währungswettbewerb zwischen Theorie und Praxis

Im gleichen Maße, wie jeder Mensch mit seinen ganz eigenen Augen sieht, gibt es unterschiedlichste Meinungen darüber, welche Teile der neuen Vielfalt tatsächlich angewendet werden sollen. Ist goldgedecktes Geld deshalb das erfolgreichste, weil Gold als Metall unverwüstlich ist? Wirken integrierte Geldhaltegebühren oder wirken sie nicht? Wie groß sollte bei Regionalem Geld die Region gewählt sein? Können wir im digitalen Zeitalter auf papierne Ausgestaltung verzichten? Oder sind gar dezentrale internetbasierte Währungssysteme das Nonplusultra?

Alle Fragen können auf theoretischer Ebene beleuchtet werden. Sie bleiben aber Theorien und Prognosen, so lange keine experimentelle Überprüfung erfolgt. Nur die tatsächliche Umsetzung sowie ihre wissenschaftliche Begleitung und die Dokumentation der Wirkungen und Ergebnisse können hier über Vorteile und Nachteile sowie das optimale Einsatzgebiet Auskunft geben. Auf theoretischer Ebene ist die Komplexität des Systems Wirtschaft kaum erfassbar, wenn es eine solche Vielzahl von Stellschrauben gibt. Und auch wenn Simulationen ein akzeptables Werkzeug sind, um Prognosen am Computer zu machen, so bleibt bei reiner Computersimulation der wichtigste Faktor außen vor: Der Mensch. Auch die Komplexität der Umwelt, dessen Teil der Mensch ist und die auf ihn und sein Wirtschaftssystem wirkt, muss bei Computersimulationen zu großen Teilen außen vor bleiben.

Echter Währungswettbewerb hieße, die verschiedensten Ausprägungen an Währungssystemen zuzulassen und auszutesten. Der Währungsnutzer würde in freier Wahl entscheiden, welche(s) Zahlungsmittel er akzeptiert. Mit der Nutzung akzeptiert er die Regeln des jeweiligen Systems und unterwirft sich ihnen beim Umgang mit dem jeweiligen Geld. Währungswettbewerb hieße auch, daß unerwünschte Regeln in einzelnen Systemen dazu führen, daß einzelne Personen abgewandelte oder weiterentwickelte Währungen gründen, die als neue Systeme auf der Wirtschaftsbühne erscheinen. Währungswettbewerb heißt, das Spiel zwischen einzelnen Systemen zuzulassen um herauszufinden, wie sie miteinander interagieren, wie sie funktionieren und wie sie von den Wirtschaftsakteuren akzeptiert und genutzt werden. Währungswettbewerb heißt, jedem Menschen die freie Wahl zu lassen, welche Währung er nutzt und Teil welches Währungsnetzes er dadurch wird. Das Prinzip von Freiheit und Wahlmöglichkeiten würde insoweit erweitert, als nicht nur die Auswahl zwischen unterschiedlichen Gütern, Leistungen und Herstellern möglich ist, sondern auch die Wahl zwischen Wirtschaftsnetzwerken, die durch das jeweilige Zahlungsmittel ausgeformt werden und jeweils nach den jeweils gültigen Systemregeln funktionieren.

Nach den gängigen Wirtschaftstheorien führen Monopole zu Monopolprämien, die ein Monopolist auf seine Produkte und Leistungen aufschlagen kann. Monopole bedeuten also höhere Preise für die Kunden des Monopolisten sowie Machtverschiebungen im System. Selten wird beachtet, daß auch Geld heute ein Monopol ist. Global existieren relativ wenige Währungssysteme, die darüber hinaus meist nach derselben Philosophie konstruiert sind. In ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten sind diese Währungen Monopole, einen Wettbewerb verschiedener Währungen gibt es nicht. Es ist wahrscheinlich, daß auch der Preis für die Nutzung der heutigen Währungen höher liegt, als er es in einer Wettbewerbssituation wäre. Währungswettbewerb könnte entsprechend zu niedrigeren Preisen auf dem Geldmarkt führen. Konkret hieße dies: Ein sinkendes Zinsniveau. Die Zinssätze am Geldmarkt sind das wirtschaftliche Signal, an welchem sich Renditeerwartungen orientieren. Zugleich entscheidet die Höhe der Zinsen darüber, ob Investitionen stattfinden oder nicht. Würde ein Wettbewerb der Währungen zu niedrigeren Zinssätzen führen, so stiege die Wahrscheinlichkeit von Investitionen aufgrund sinkender Kapitalkosten.

Interessant dürfte es sein zu beobachten, mit welchen Maßnahmen neue Währungssysteme Vertrauen herstellen. Vertrauen ist das Maß jedes Geld- und Währungssystems. Um wirklich nutzbar zu sein benötigt jedes Währungssystem eine kritische Masse an Teilnehmern, die ausreichend Leistungen für das Zahlungsmittel zur Verfügung stellen. Nur wenn genügend Teilnehmer Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und die Glaubwürdigkeit der Betreiber haben, können Währungssysteme auf Dauer bestehen.

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Fußnoten

Norbert Rost, www.regionales-wirtschaften.de, letzte Aktualisierung: 17.11.2008

Literatur:

  • John Naisbitt "Mind Set!"
  • Hansjörg Herr "Geld, Währungswettbewerb und Währungssysteme"
  • Dirk Baecker (Hg.) "Viele Gelder"