Zur Erinnerung: Der Autohersteller VW mit Sitz in Wolfsburg hat die Elektronik seiner Motoren so programmiert, dass das Fahrzeug weniger Schadstoffe ausstößt, wenn es von Prüfern geprüft wird, während das Fahrzeug im Alltag mehr Schadstoffe ausstößt und mehr Energie schluckt, als in Prüfsituationen.
Der VW-Skandal hat vielfältig mit meiner Arbeitsweise zu tun:
- da ist ein Maschinenbauer (Autos sind Maschinen), dessen Produkte Energie, insbesondere Mineralöl brauchen und damit zum Kern-Baustein des Peak-Oil-Risikokomplex in unserer Gesellschaft gehört
- da ist eine Firma, die IT-Technologie dazu einsetzt, ihre Produkte so zu optimieren, dass sie rechtlichen Rahmenbedingungen genügen, aber Umweltgesichtspunkte nicht nur ignorieren, sondern Umwelt bewusst zusätzlich schädigen - zugunsten des Absatzes der hergestellten Produkte
- da ist die Stadt Wolfsburg, das Land Niedersachsen und viele andere Akteure rund um eine extrem große Firma, die von Wohl und Wehe dieser Firma extrem abhängig sind
Und nun führt die technische Innovation programmierbarer Motoren dazu, dass VW Betrug vorgeworfen wird. Die Firma muss Geld in die Hand nehmen, um den Betrug bei den bereits verkauften Autos rückgängig zu machen, muss voraussichtlich Schadenersatz zahlen und hat wegen des drohenden Image-Schadens mit Absatzrückgängen zu rechnen. All das führt die Firma in Verluste und eine unsichere Zukunft.
Es mehren sich die Anzeichen, dass das VW-Problem breite Kreise ziehen wird. Da ist einerseits die Stadt Wolfsburg, in der ein großer Teil der Bevölkerung direkt oder indirekt für VW arbeitet und die einen bedeutsamen Teil ihrer Steuereinnahmen aus VW-Erlösen bezieht. Muss VW Leute entlassen oder kann nicht mehr ausreichend Steuern zahlen, wird das die Stadt in große Probleme bringen. Wolfsburg ist aufgrund der hohen Abhängigkeit von einem einzelnen, extrem großen Unternehmen verletzlich; nur wenige wollten diese Verletzlichkeit in den vergangenen Jahren wahrhaben. Eine Haushaltssperre und einen Einstellungsstop hat der Bürgermeister bereits angeordnet.
Doch auch andere Akteure sind betroffen. So berichtet Felix Leitner in seinem Blog von einer Fachhochschule in Niedersachen, die ein Drittel ihrer Drittmittel von VW bezieht und nun erste Projekte wegbrechen. Die hohe Abhängigkeit von diesem einzelnen Unternehmen könnte offenbar dazu führen, dass ganze Fakultäten wegbrechen könnten.
All dies könnte erst der Anfang sein. Der VW-Skandal zeigt, wie verletzlich ganze Kommunen werden können, wenn sie sie zu stark von wenigen großen Unternehmen abhängig machen oder so sehr auf einzelne Branchen setzen, statt auf Vielfalt. Resilienz, also Widerstandsfähigkeit gegenüber Krisen, ist inzwischen sogar Thema der UN-Nachhaltigkeitsziele. Viele Kommunen wären gut beraten, sich die eigene Situation kritisch anzuschauen und ihre Verletzlichkeiten zu prüfen. Für die Autobauerstadt Wolfsburg könnte ein einzelnes Stück Software zur Detroit-Falle werden.