Europa ist in der Krise. Das ist normal. Keine Entwicklung verläuft reibungslos, nichts läßt sich bis zu seinem (bitteren) Ende durchplanen. So wie Menschen in die Pubertät kommen, wenn sie sich vom Kind zum Jugendlichen wandeln, und dabei diverse Krisen provozieren, so kommen eben auch Kontinente in Situationen, die ungeplant sind.
Das Zusammenwachsen Europas bedeutet den Tod der Nationen. Das mag so manchen erschrecken, gilt die Nation doch vielen als Heimat. Doch vielleicht ist es gerade das 300 Jahre alte Nationalstaatskonzept, was die heutige Krise befeuert! Die nationalen Regierungen streiten sich über Finanzhilfen. So, wie diese Regierungen vor Jahren Europa aus der Taufe hoben, so kleinlich achten sie jetzt auf ihre Vorteile. Im schlimmsten Fall landen wir da, wo wir vor Jahrzehnten schonmal waren: In nationalistischem Gezerre.
Wenn Europa weiter gedeihen soll, braucht es einen neuen Weg, auf dem es sich entwickeln kann. Ein solcher Weg wäre, Europa als einen Kontinent der Städte und Gemeinden weiterzuentwickeln, statt als Kontinent der Nationen. Es sozusagen „von unten“ neu zu begründen. Wir alle leben in Städten und Dörfern, sie sind unsere Nester, in denen wir unsere sozialen Netze knüpfen. Das Leben von uns Europäern findet nicht in Nationen statt, es findet in unseren Häusern statt, in unseren Straßen, unseren Kommunen. Das nahe-liegende berührt uns tagtäglich mehr, als es die Entscheidungen weit entfernter Regierungen tun.
Statt Europa zusammenzustückeln, indem man es sich als Puzzle separater Territorien vorstellt, sollte man es als Netzwerk von Kommunen denken. Dörfer und Städte sind die verdichteten Lebensräume in dieser Landmasse - die Knoten in diesem Netz. Sie sind miteinander verbunden durch Schienen und Straßen, durch Stromleitungen und Pipelines, durch Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten, durch familiäre Bande und Freundschaften. Die Bindungen zwischen Menschen und Kommunen machen längst nicht mehr an jenen geografischen Markierungen Halt, die früher von Schlagbäumen gesäumt waren. Sieht man Europa als Netz, dessen Knoten die Kommunen sind, so sieht man bereits zehntausendfache Verknüpfungen zwischen diesen Knoten – und sie überschreiten mühelos alte Grenzziehungen und kulturelle Verschiedenheiten.
Wir sollten Europa weiterentwickeln, indem wir uns auf diese Bindungen zwischen Menschen in unterschiedlichen Kommunen konzentrieren und sie ausbauen. So wie die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth kürzlich öffentlich darüber nachdachte, die deutschen Bundesländer durch mehr Eigenständigkeit der Kommunen zu ersetzen und ein "Europa der Regionen mit selbstverantwortlichen Kommunen oder Stadtkreisen" zu formen, so sollten die kommunalen Räte darüber nachdenken, mit welchen anderen europäischen Kommunen sie intensivere Beziehungen eingehen können. Neue (Städte-)Partnerschaften braucht der Kontinent! Mehr Kontakt zwischen Schülern und Lehrern in Athen und Paris. Mehr Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmern in Görlitz und solchen in Venlo. Mehr gemeinsame Aktivitäten zwischen Sportvereinen in Catania und Usti.
Menschen sind das Wichtige in diesen Zeiten, nicht Schlagbäume an Landesgrenzen oder die Sprachunterschiede, die man in Europa antrifft. Menschen sind es, die Europa formen können oder sich in ihre alten nationalen Schneckenhäuser zurückziehen. Menschen leben in Städten und Dörfern und Städte sind die modernen Ballungsräume des Wissens und der Kultur. Europa muss ein Kontinent der Städte werden, ein lebendiges Netz aus Kommunen – pulsierend vor kultureller und sprachlicher Vielfalt. Dann ist es auch bereit für die Herausforderungen des jungen Jahrtausends.
Kann ich nur bejahen. Mit Regionalgeld und dem Euro als übergeordnete Handelswährung.