Der Begriff der „Resilienz“ kommt aus der Psychologie und beschreibt die Widerstandsfähigkeit von Menschen gegenüber Lebenskrisen. Dieses Konzept wird zunehmend auf andere Bereiche angewendet, beispielsweise in Form der „Klimaresilienz“ auf Städte und Gemeinden.
Immer mehr Unternehmen, Organisationen und Städte und Gemeinden arbeiten mit dem Ansatz als eine Art „defensive Entwicklungsstrategie“. Sie reagieren damit darauf, dass immer mehr zivilisatorische Systeme Anfälligkeiten zeigen, während zuletzt oft die Abhängigkeit von solchen Systemen anstieg.
Zunehmende Risiken
Beispielhaft ist das Stromversorgungssystem zu nennen. Ohne Elektrizität funktionieren nicht nur (Mobil-)Telefone und Fernseher nicht, sondern meist auch Fahrstühle, Heizungen oder die Wasserversorgung. Auch bargeldlose Zahlungen, Kühlung und PCs kommen bei einem Stromausfall zum Erliegen. Zugleich wird durch die zunehmende Einspeisung aus schwankenden erneuerbaren Energiequellen die Steuerung des Stromnetzes schwieriger. Waren im fossilen Energieversorgungssystem ganz selten stabilisierende Eingriffe der Netzbetreiber notwendig, so wird heute mehrmals am Tag händisch eingegriffen, um Über- und Unterversorgung zu vermeiden. Da die Stromversorgung Grundlage von IT- und Kommunikations-Infrastruktur ist, geht ein BlackOut einher mit Einschränkungen in der Kommunikationsfähigkeit einer Gesellschaft, so dass auch andere wichtige Sub-Systeme der Zivilisation betroffen wären.
Ähnliche Risiken gibt es im Ölversorgungssystem. Der hohe Ölpreis von über 100US$ in den Jahren 2012-2014 zeigte vielen die Grenzen der Tragfähigkeit, während der niedrige Ölpreis ab 2015 viele Öllieferländer in wirtschaftliche Schwierigkeiten bringt. Daraus resultierende politische Probleme wirken wiederum auf die weltwirtschaftliche Lage und Flüchtlingsströme. Ein Überschreiten des Ölfördermaximums ohne den Aufbau alternativer Transportinfrastrukturen bedeutet für die modernen Städte Versorgungsrisiken, da der Großteil der Transporte bei Schiff und LKW stattfindet und diese Systeme hohe bei Treibstoffpreisen oder Blockaden von Raffinierien (wie zuletzt in Frankreich oder Großbritannien) ausgebremst werden. Ein Resilienz-Ansatz gegen solche Risiken besteht in einer zunehmenden Versorgung aus regionalen Wirtschaftsstrukturen, da die kürzeren Transportwege durch weniger Treibstoff realisiert werden kann.
Risiken entstehen auch durch die zunehmende Computerisierung aller Lebensbereiche. Alle möglichen Geräte werden heute nicht mehr manuell, sondern durch Computer gesteuert: Türen, Heizungen, Maschinen usw. Zwei Risiken bedrohen dadurch die Funktionsweise der Geräte: Hackerangriffe und Stromausfälle. Die Snowden-Papiere haben einer breiten Öffentlichkeit gezeigt, wie tief Geheimdienste in fremde IT-Systeme eindringen können. Die Annahme ist naiv, dass sie dort nur Daten abgreifen, vielmehr haben sie auch Vorrichtungen eingebaut, um die kompromitierten Systeme abzuschalten oder ihre Funktionsweise zu beeinträchtigen. Kriminelle Hacker haben ihre Angriffsroutinen bereits in Energierzeugungsanlagen installiert und können diese bei Bedarf aktivieren, um Angriffe auf das Stromnetz durchzuführen und die Energieversorgung zu torpedieren. Technik-Kenner weisen darauf hin, dass man davon ausgehen muss, dass alle Bereiche, in denen Computer und IT-Systeme eingesetzt werden (Stichwort: „Internet of Things“) bereits kompromittiert sind oder leicht kompromittiert werden können. Durch die Vernetztheit dieser Systeme können Angreifer nicht nur einzelne Geräte abschalten, sondern ganze Schwärme von Geräten gleichzeitig lahmlegen und so die Funktionsweise ganzer Städte oder Länder beeinträchtigen.
Es gibt weitere Risiken in der modernen Welt: Flüchtlingsströme, Extremwetter, Kappen globaler Wertschöpfungsketten (man denke an die Unterbrechung der BMW-Produktion durch den Vulkanausbruch auf Island 2010, bei dem notwendige Teile nicht in deutschen Fabriken ankamen). Auch Finanzkrisen, wie sie global 2007/2008 sichtbar wurden und weiterhin schwelen, gehören zu den Risiken der modernen Zivilisation.
Die größten Risiken gehen dabei von einer Bedrohung der Kritischen Infrastruktur (KRITIS) aus.
Resilienz als Risikomanagement
Solcherart systemische Risiken werden zunehmend diskutiert. Städten und Gemeinden greifen die Diskussion im Sinne der Daseinsvorsorge auf. Diskutiert wird dabei insbesondere:
- Welche Risiken existieren? Welches Katastrophenpotenzial wohnt ihnen inne?
- Welche Störszenarien sind denkbar? Welche Erfahrungen gibt es mit Störungen?
- Wie lassen sich die Risiken bewerten? Welche Möglichkeiten zur Dämpfung und Risikovermeidung gibt es?
- Welche Strategien zum systemischen Umbau lassen sich einsetzen?
Es wäre unverhältnismäßig, jegliche Risiken ausschließen zu wollen. Mit dem Ansatz zu mehr Resilienz geht es darum, wichtige Systeme auf konkrete Krisen-Szenarien vorzubereiten und sie zugleich so zu gestalten, dass sie flexibel und lernend auch auf unvorhergesehene Störungen reagieren können („Schwarze Schwäne“). Die Interdependenzen zwischen kritischen Systemen (horizontal/vertikal) gilt es kritisch zu beleuchten, z.B. die enge Bindung zwischen Strom- und IT-System, indem Computersysteme vom funktionierenden Stromnetz abhängen, während die Steuerung des Stromnetzes gleichzeitig auf funktionierenden Computern basiert.
Die Resilienzforschung steht dabei oft noch am Anfang. Risikomanagement existiert bislang hauptsächlich als betriebswirtschaftliche Kategorie, die Anwendung auf volkswirtschaftliche und sektorübergreifende Systeme ist relativ neu, ebenso die Berücksichtigung von „betriebsfremden“ Impulsen: Beispielsweise der Einfluss von Starkregen oder einer Straßenblockade auf die Funktionsfähigkeit eines Unternehmens. Insbesondere die Wechselwirkungen zwischen Systemen ist in der hochkomplexen Zivilisation des 21. Jahrhunderts eine echte Herausforderung, die oft zu Lösungen führt wie: Minimalismus, Redundanz, Effizienz, Einbau von Puffern.
Widerstandsfähigkeit ist die Kapazität eines Systems, seine Ziele zu erreichen, auch wenn es einer Schockeinwirkung ausgesetzt wird.
Prof. Dennis Meadows in der Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" im deutschen Bundestag
Die zunehmenden Risiken der globalisierten, technisierten, vernetzen Zivilisation treffen auf ein zunehmendes Risikobewusstsein. Resilienzforschung und die Implementierung von Risikomanagement-Strategien in Organisationen und Städten und Gemeinden ist ein aufkeimender Megatrend, insbesondere getrieben von Transition-Aktivitäten.
Siehe auch:
- Interview mit Ortwin Renn zu seinem Buch: „Das Risikoparadox“
- Hermann Saurugg: Blackout - eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung
- Marc Elsberg, Autor des lesenswerten Romans "Black Out" und Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, diskutieren über Risiken im Stromversorgungssystem
- #Dresden muss robust werden (2013)