Parallelwährungen sollen Wettbewerbsfähigkeit erhalten
Griechenland. Noch hält die Regierung am Sparkurs, der die Bedingung für Hilfskredite von EU und IWF ist, fest. Ob dies in Zukunft so bleiben wird, darf angezweifelt werden. Die Parlamentswahl Mitte Juni wird zeigen, ob die Befürworter des Sparens an der Macht bleiben. Die Zeichen sprechen dagegen, aktuelle Umfrageergebnisse deuten für ein baldiges Ende des Kurses hin. Trotzdem spricht sich die Mehrheit der Griechen dafür aus, in der Eurozone zu bleiben. Bei einem Austritt würden die Hilfszahlungen der EZB an die Banken des Landes eingestellt, die neue griechische Währung stark abgewertet werden, die griechische Wirtschaftsstärke dürfte sich der bulgarischen annähern. Die Griechen wären wieder wettbewerbsfähig, jedoch deutlich ärmer. Wahrscheinlich müsste die EZB die griechischen Schulden sogar abschreiben und damit herbe Verluste hinnehmen.
Wie wird die zukünftige Schuldenpolitik des Landes aussehen? Vorschläge gibt es zuhauf. Jüngst hat auch die Deutsche Bank, in Gestalt ihres Chefvolkswirts Mayer, empfohlen, eine griechische Parallelwährung zum Euro einzuführen. Der Staat solle seine laufenden Ausgaben mit Schuldscheinen bezahlen, die gehandelt werden könnten und somit eine zweite Währung wären. Eine Abwertung (geschätzt 2:1€) wäre so möglich und der Euro könnte trotzdem behalten werden. Die neue Drachme wäre durch Staatsbesitz, der vorher in ein Sondervermögen eingebracht würde, gedeckt. Laut Udo Neuhäußer, Ministerialrat im Bundeswirtschaftsministerium, könnten Grundstücke, Immobilien, Firmenbeteiligungen und Infrastruktur einen Nachfrageimpuls in der Größenordnung von mindestens 150 Milliarden Euro schaffen¹. Dieses Geld könnte die Wirtschaft ankurbeln und Griechenland wieder wettbewerbsfähig machen. Die Auslandsschulden wären durch Kredite von IWF und EU gedeckt, gut für zum Beispiel die Deutsche Bank, die dann weniger in der Gefahr stünde, Forderungen an das Land abschreiben zu müssen. Außerdem solle man eine Garantie für griechische Bankeinlagen aussprechen, um zu verhindern, dass die Griechen aus Angst vor der Abwertung ihre Banken stürmen, so Mayer.
Auch Marek Belka, Chef der polnischen Notenbank setzt auf die Einführung einer Zweitwährung für Zahlungen innerhalb Griechenlands (Löhne, Gehälter, Renten, inländische Handelsgeschäfte). Ersparnisse, die vor der Einführung existieren, sollten aber weiterhin in Euro geführt¹ werden. Belkas Neue Drachme würde zunächst einen Umtauschkurs von 1:1 zum Euro haben und anschließend abgewertet werden. Um zu verhindern, das Ersparnisse aus dem Land abfließen, könnte man eine Strafgebühr für den Umtausch des neuen Geldes in Euro einführen, empfiehlt Michael Vogelsang, Chefsvolkswirt des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. Auslandsschulden würden in Euro bedient, Staat und Unternehmer müssten diese jedoch mit Einnahmen in einer abgewerteten Währung aufbringen. Bringt die neue Währung nicht den erhofften Aufschwung oder ist dieser nicht ausreichend, würde sich hier eine neue Schuldenfall für das Land auftun.
Beide Modelle setzen darauf, die Krise mit einem griechischen Binnenwachstum zu lösen, das einer Parallelwährung zu verdanken ist. Sollten sie erfolgreich sein und Griechenland irgendwann wieder eine zwar abgewertete, aber stabile Währung haben, wäre der Status Quo wieder erreicht. Und dann? Beginnt das Ganze erneut? Hält man Haushaltsdisziplin? An dieser Stelle ist beispielsweise der Fakt interessant, dass das Land in den letzten 200 Jahren fünfmal pleite war und die Hälfte der Zeit in finanziellen Schwierigkeiten steckte.
Einen anderen Ansatz verfolgen Christian Gelleri und Thomas Mayer. Beide waren an der Entstehung des Regiogeldes Chiemgauer beteiligt. Ein Wirtschaftsaufschwung soll herbeigeführt werden, indem das Land ein Expressgeld einführt.
Auch in ihrer Idee soll der Staat all seine Inlandszahlungen in der zweiten Währung tätigen, die er sich 1:1 Euro bei der Notenbank ertauschen würde. Das Geld verlöre jedoch, wie der Chiemgauer und viele andere Regiogelder, mit der Zeit an Wert (Vorschlag: 8% jährlich).Die Folge: Es würde schneller ausgegeben, was die Wirtschaft ankurbelt. Daher wird der Wertverlust des Geldes als „Umlaufimpuls“ bezeichnet. Ausnahme sind längerfristige Sparanlagen mit einer gesetzlichen Laufzeit von mindestens einem Jahr, das Sparen ist also möglich, wird aber nicht mit Zinsen, sondern mit Werterhalt belohnt.
Wie Vogelsang fordern auch Gelleri und Mayer eine Strafgebühr für den Umtausch in Euro (10%). Um die Akzeptanz des Expressgeldes in der Bevölkerung zu sichern, schlagen die beiden vor, dass der Staat die Einnahmen aus der „Abflussbremse“ dazu nutzen könnte, einen einmaligen Bonus auf Renten und Gehälter zu zahlen.
Alle drei Modelle wollen das System „von oben“ ändern, indem eine neue Währung eingeführt wird. Es gibt aber auch Bewegungen „von unten“, die zum Nachdenken über Alternativen anregen und diese auch umsetzen. Und sie haben Zuwachs.
Alternative Zahlungsmodelle liegen im Trend
In letzter Zeit hat Theodoras Mavridis frische Eier, Schnaps, Obst, Oliven, Olivenöl, Marmelade und Suppe gekauft, außerdem war er bei einem Steuerberater, um seine Steuererklärung zu vervollständigen. Für all das hat er keinen einzigen Cent bezahlt, als gelernter Elektriker hatte er einige kleinere Arbeiten erledigt, dafür Lebensmittel und Steuerberatung erhalten.²
Theodoras Mavridis lebt in der griechischen Hafenstadt Volos, seit 3 Jahren gibt es hier das "Lokale Tausch- und Solidaritätsnetzwerk Magnisia", welches auf den Bezirk Magnisia (ca. 200.000 Einwohner) begrenzt ist. Es hat momentan etwa 800 Mitglieder (Stand Februar 2012), vor allem sind es Kleinunternehmer und es werden immer mehr. Der Zahlungsverkehr läuft über das Internet: Theodoras' Kunden haben ihm für seine Reparaturen online TEMs (eine griechische Abkürzung, im Deutschen „Alternative Lokale Einheit“) auf sein Konto gutgeschrieben. Würde Theodoras Euro verlangen, müsste er seine Umsätze versteuern, im Netzwerk ist das nicht der Fall, dank eines Gesetzes, welches das griechische Parlament erlassen hat, um die Menschen zu alternativen Unternehmungen und lokaler Entwicklung zu ermutigen, indem es Netzwerken wie dem in Magnisia den steuerlichen Status einer Non-Profit-Organisation vergibt.²
„Das Geld soll zirkulieren und als starke Währung arbeiten.“, so Christos Pappionannou, ein Maschinenbauingenieur, der die Website mithilfe einer Open-Source-Software betreut. Deshalb ist Theodoras' Konto nach oben (1200 TEMs) und nach unten (-300 TEMs) begrenzt.² Er ist also angehalten, sein Einkommen auszugeben anstatt es zu horten, denn wenn er an der Obergrenze ist, bekommt er keine Gutschriften mehr für seine Arbeit. Somit kann das Geld schneller fließen. Und das soll es auch, denn Theodoras investiert in die Lebensqualität der Region. Hier ist jeder gleich gestellt, das Netzwerk soll die Grundversorgung der Menschen garantieren, nicht einzelne bereichern. Die Untergrenze sorgt dafür, dass die Verschuldung der Mitglieder im Rahmen bleibt, indem sie einerseits ein Limit setzt und andererseits auf Überziehungszinsen verzichtet. Die Verschuldeten müssen also nichts pfänden lassen oder Kredite aufnehmen, um wieder aus den Schulden herauszukommen. Die Grenzen wurden per „trial and error“ festgelegt. Man dachte erst an eine Untergrenze von -100 TEMs, merkte aber schnell, dass so nur kleinere Transaktionen möglich waren und erweiterte auf -300 TEMs, was sich auszahlte. Die Obergrenze von 1200 TEMs ist äquivalent zu einem guten Monatsgehalt, doch fest sind diese Grenzen nicht, man ist sich einig, dass man Dinge ausprobieren und sehen sollte, was funktioniert. Es gibt viele Ideen, beispielsweise TEM-Gutschriften für aktive Mitarbeit am Netzwerk oder an sozialen Projekten zu vergeben. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt.
Da die teilnehmenden Unternehmer natürlich nicht alles in TEMs bezahlen können (beispielsweise Steuern, Mieten usw.), gibt es die Möglichkeit, Transaktionen in beiden Währungen zu tätigen, die meisten Unternehmer bieten eine 50-zu-50-Zahlung an.²
Das "Lokale Tausch- und Solidaritätsnetzwerk Magnisa" ist nicht das einzige alternative Zahlungsmodell in Griechenland. Maria Choupis, ein Gründungsmitglied, sagt, dass es „etwa 15 aktive vergleichbare Modelle“ gäbe.² Woran liegt das? Wieso meiden diese Griechen den Euro? Gründe sind die nun schon fünf Jahre anhaltende Rezession im Land, Gehaltskürzungen, Steuererhöhungen, die Arbeitslosigkeit in Magnisia liegt mit 16 % (Tendenz steigend) sogar noch unter dem griechischen Durchschnitt. Die Bürger verlieren zunehmend ihr Vertrauen in Politik und Wirtschaft.
Sie beginnen damit, Alternativen zu schaffen. Und das mit Erfolg: Laut Marie Choupis bricht hier eine neue Stimmung auf: „Aus Ärger mach Kreativität!“²
Die Nutzer sind vom Netzwerk begeistert, da es nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial wirkt. Man trifft sich, spricht miteinander, alle sind gleichberechtigt und entscheiden im Kollektiv. Im letzten Sommer hatte man einen täglichen Markt betrieben, jetzt soll ein altes Universitätsgebäude zur Markthalle umgestaltet werden. Choupis fragt auf dem Markt eine Frau, ob es sich gelohnt habe, die 3 großen Bleche Kuchen zu verkaufen, die sie vorher gebacken hatte. Für 1 TEM das Stück hat sie sie verkauft. Sie bejaht, sie hätte dafür andere Lebensmittel erstanden, im Supermarkt hätte sie dafür mehr zahlen müssen als für das Kaufen der Zutaten und Backen des Kuchens.
Choupis meint auch, dass das Netzwerk viel schneller wachsen könnte, die Menschen aber erst einmal wie vor den Kopf geschlagen wirken, wenn man ihnen vom Netzwerk erzählt, sie denken zuallererst an die vielen Rechnungen, die sie in Euro bezahlen. Wenn diese Menschen dann aber sehen, wie viel sie ohne Geld bewirken können, sind sie überzeugt.²
Nicht nur im krisengebeutelten Griechenland, sondern auch bei uns gibt es Bestrebungen, alternativ zu wirtschaften. In Dresden zum Beispiel existiert das Tauschnetz Elbtal. Auch hier kann man kleinere Dienstleistungen und Waren online anbieten, suchen und bezahlen, das Zwischentauschmittel heißt „Talent“. Der Preis ist verhandelbar, als Richtwert gelten 10 Talente für eine Stunde Arbeitszeit.
Die Dresdnerin Regine Pietzsch war 43 Jahre lang selbstständige Schneiderin, sie beherrscht ihr Handwerk perfekt, jetzt ist sie in Rente. Nun bietet sie ihr Können im Tauschring an.³ Wie in Magnisia gibt man ab, wovon man selbst zu viel hat und bekommt dafür, was man braucht. Ganz ohne Geld, wie schon der Name der eigenen Website „ohne-moos-gehts-los.de“ verkündet. Die getauschten Güter und Dienstleitungen gelten als Nachbarschaftshilfe, sind somit nicht steuerpflichtig.
Wie Tobias Vogler, Gründer des Tauschnetz Elbtal, betont, reicht das aber noch nicht. Er kritisiert, dass es für einen Tauschring in Deutschland schwierig ist, mit Vereinen oder öffentlichen Institutionen zusammen zu arbeiten, da man hier den privaten Bereich verlässt und den öffentlichen betritt, der Partner ist dann eventuell umsatzsteuerpflichtig. Viele Geschäfte, die für beide Seiten von Nutzen wären und den Tauschring weiterentwickeln könnten, müssten deshalb leider ausfallen.³
Beide Tauschringe sollen in erster Linie Menschen auffangen, die von Armut bedroht sind. Viele Talente (hier hat auch der Name der Dresdner Tauschwährung seinen Ursprung) sind auf dem Arbeitsmarkt nicht gefragt oder werden schlecht bezahlt. Tauschringe können dieses ungenutzte Potenzial ausschöpfen. Sie könnten die Marktwirtschaft somit zumindest ergänzen. Außerdem sind sie unabhängig vom permanenten Wachstum, auf welches die Marktwirtschaft angewiesen ist. In Krisensituationen sind sie dadurch weniger anfällig. Dr. Michael Kopatz vom Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie erforscht die Nachhaltigkeit von Tauschringen. Er führt deren Stabilität darauf zurück, dass hier, im Gegensatz zur Marktwirtschaft, keine Zinsen erwirtschaftet werden müssen.³
Tauschringe führen also zu einer hohen Stabilität der (Grund-)Versorgung, zu sozialer Einbindung und Gleichberechtigung aller Beteiligten und zu regionalen Wirtschaftskreisläufen. Sie dezentralisieren die Wirtschaft, vermeiden somit prinzipiell unnötige Transportwege oder auch Überproduktion, da die Nachfrage viel besser eingeschätzt werden kann. Tauschringe sind demzufolge viel umweltverträglicher als die Marktwirtschaft.
Unter den Eindrücken der gegenwärtigen Staatsschulden- und Bankenkrisen, könnte man die Frage stellen, ob unsere Form des Wirtschaftens, zum Beispiel angesichts massiver Umweltzerstörungen im Zuge der Ausbeutung unseres Planeten, so sinnvoll ist oder ob wir nicht über einen Paradigmenwechsel, weg vom Wachstumsdogma, in Richtung des nachhaltig-sozialen Prinzips der Tauschringe nachdenken sollten.
Quellen
¹http://www.ftd.de/finanzen/maerkte/anleihen-devisen/:schuldenkrise-griechenlands-alternativen- zum-euro/70040596.html
²http://www.guardian.co.uk/world/2012/mar/16/greece-on-breadline-cashless-currency?newsfeed=true
³http://www.daserste.de/plusminus/beitrag_dyn~uid,7deb4y0irpuymmxi~cm.asp
[…] tun hat, wissen inzwischen viele. Dass die Krise Kreativität fördert zeigte sich bereits in unserem Bericht über neue Verrechnungssysteme in Griechenland. Nun scheint sich der Trend zu verstärken: Heimische Produkte spielen wieder […]